So liebe Leser (ich liebe Alliterationen!!),

da ihr nun so lange, geradezu Ewigkeiten auf meinen letzten Blogeintrag warten musstet, schiebe ich gleich noch einen hinterher, damit sich das auf-meinen-Blog-schauen auch mal wieder richtig lohnt!

Nachdem ich die Berge Uttarakhands im Taxi in Schlängelfahrt, mit lauter Pahari-Musik und vom Vollmond beschienen in Richtung Delhi verlassen hatte, empfing mich erstmal die Hitze der Plains. Denn während es in den Bergen schon langsam merklich Herbst geworden war, war es in den Plains nur weniger heiß geworden. Ich schwang mich in Kathgodam, dort, wo die Zuglinien in Richtung Himalaya enden, in den Nachtzug nach Delhi, auf dem gut lesbar für alle die Namen und Plätze aller Passagiere an der Außentür prangen… soviel zum Datenschutz. Gemütlich ruckelnd dämmerte ich bald auf meinem Liegeplatz weg, bevor der Zug planmäßig um vier Uhr morgens Delhi Hauptbahnhof erreichte. Ich hatte mich schon vorher mit Saha und Caro (die für die restliche Zeit ihres Praktikums inzwischen bei Saha eingezogen war) verabredet und die beiden wollten mich mit einem Morgenspaziergang abholen. Bis die Metros um 6 Uhr ihren Betrieb aufnahmen und ich zu den beiden fahren konnte, waren es aber noch zwei Stunden hin, also setzte ich mich in ein Bahnhofsrestaurant, fragte mich wie um Himmels Willen es um diese frühe Stunde so unglaublich heiß sein kann und wieso um Himmels Willen zu dieser frühen Stunde am Bahnhof genauso viel los zu sein schien, wie zu jeder anderen Tageszeit! Ich braucht noch eine Stunde vom Bahnhof zu der Metrostation, an der ich mich dann mit Saha traf. Die Ticketcounter in der Metro öffnen eine Stunde, bevor der erste Zug fährt und die Menschenschlangen füllten den kompletten Vorraum… früh um 5. Delhi schafft mich einfach!

Saha und Caro gingen nach einem ausgiebigen Willkommens-Frühstück mit mir beide arbeiten und ich verbrachte den Tag hauptsächlich mit dem Versuch, mich an das wieder andere Klima zu gewöhnen und damit, den Kühlschrank zu füllen. Abends tranken wir ein paar Bierchen zusammen, rauchten, philosophierten, lachten, sangen und kramten unsere Lieblingsmusik der letzten Jahre aus dem Internet.

Der nächste Tag hielt seinen Höhepunkt erst am Abend bereit, aber nervös war ich schon die ganze Zeit davor… Matze kam nach Delhi! Obwohl er fast zur selben Zeit wie ich aus Deutschland Richtung Indien aufgebrochen war, hatte er eine komplett andere Reise hinter sich als ich. Er fuhr mit dem Fahrrad. 7.500 km. Bis nach Tadschikistan. Vier Monate lang. Einige Ersatzteile, eine Hose und eine Arschbacke mussten (zeitweise) dran glauben, dann hatte er Osteuropa, Türkei, Iran, Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan durchritten. Eigentlich wollte er Indien komplett auf dem Landweg erreichen, was aber vor diesem Winter nicht mehr zu schaffen war, vor allem, weil man auf die einzelnen Visen so lange warten muss. Also kam er nach Delhi geflogen. Den Durchfall brachte er gleich mit nach Indien und die Umstellung von der Tadschikischen Wüste auf Delhi im Postmonsun machten ihm noch zusätzlich zu schaffen. Schöner Schock eben 🙂

Saha kündigte am selben Tag seinen Job und hatte daher unverhofft viel Zeit, etwas mit uns zu unternehmen. Zu dritt schauten wir uns die letzten Monsunregenschauer in Delhi an, bei dem die Straßen Delhi’s weg schwammen und nicht mal mehr Rikshaws fuhren. Mit Caro ging es abends auf den Dilli Haat, einen Kunsthandwerksmarkt für Touristen, wo ich auch einen Stand der Kooperative von Navdanya fand. Am nächsten Tag besuchten wir mit Saha zusammen das Qutb Minar, den ehemals höchsten Turm der Welt und Erinnerung an die frühe Kultur der Moghuls in Indien und den wunderschönen „Garden of the five senses“. Abends gingen Caro, Saha und ich tanzen zu einer Drum’n’Bass-Party mit zwei DJs aus Amsterdam. Die Tanzfläche war so klein wie das Bier teuer, aber der Club war gut gemacht und ich war hin und weg, nach fünf Monaten zum ersten mal richtig abzutanzen… bis um zwei, der Zeit wenn alle Clubs in Delhi dicht machen 😉 Am Samstag machte ich nochmal Pancakes für alle, bevor Matze und ich uns Richtung Chandigard aufmachten.

Delhi in Monsun... everything flows!Arabic reliefs near Qutb Minar

In Chandigard angekommen, hatten wir Indien verlassen und das sollte für die nächsten zwei Wochen so bleiben. Chandigard ist zwar voll mit Indern, aber die komplette Stadt wurde kurz nach der Unabhängikeit Indiens von dem Stararchitekt Le Corbusier geplant und erinnert eher an eine europäische Stadt der 70er. Die Hauptstraße erinnerte mich stark an die Prager Straße und die Menschen verteilten sich auf den breiten Straßen, unter den vielen Bäumen und in den weitläufigen Parks, so dass die ganze Stadt ziemlich entspannt aber auch etwas leer wirkte. Aber gut, es war auch Sonntag 😉

Am Montag den 19. September setzten wir uns zehn Stunden in den Bus nach Manali, um dort zehn Uhr abends anzukommen und direkt ins shared taxi nach Leh einzusteigen. 18 Stunden Fahrt über mehrere 5.000 m Bergpässe, eine Nacht und einen Tag mit einem Fahrer. Yeah.

Somewhere on the way to Leh in the deserted mountains of Ladakh

Nach 30 h Gesamtfahrtzeit kamen wir im 3.500 m hohen Leh und damit gefühlt eher in Tibet als in Indien an. Hier war es wirklich gemütlich, etwas kühl, es gab jede Menge Äpfel, gerade abnehmende Touristenscharen und daher immer weniger offene Cafés. Überall prägten Lehmhäuser, Pappeln, Weiden und Gärten das Stadtbild, buddhistische Gebetsmühlen und muslimische Gebetsrufe erfüllten die Stadtluft und es wimmelte vor freundlichen Lehanerinnen und Lehanern, die Lachfalten vor allen anderen Falten haben und alles mit „julay“ kommentieren, was gleichzeitig „hallo“, „bitte“, „danke“, „gut“ und „tschüß“ heißt, was die Kommunikation ziemlich vereinfacht 😉

Am Anfang hatten wir etwas mit der Höhenkrankheit zu tun (von wegen langsame Anpassung an die Höhe… haha), was uns Kopfschmerzen und Kurzatmigkeit bei jeder zu schnellen Bewegung einbrachte. Also haben wir am Anfang etwas abgehangen und den Garten und die Äpfel von unserem ersten tollen Guesthouse Lakrook genossen, bevor wir nach drei Tagen ins Haus der Volunteers des Tibet Heritage Funds gezogen sind, mit dem wir dann für 1 ½ Wochen an der Restauration von traditionellen Holz-Lehm-Häusern in der Altstadt von Leh arbeiteten. Matze wurde mit dem Bau einer traditionellen Tür für ein neues Café in Old Leh betraut. Ich war zum Teil mit auf der ziemlich entspannten Baustelle, habe Steine geschleppt, Holz gehobelt, gestechbeitelt, geleimt und an der Tür rumgeschnitzt und habe in der restlichen Zeit versucht, etwas Ordnung in das ziemlich verwahrloste und fehlkonstruierte Volunteer House zu bringen (und das, wo hier nur Architekturstudenten volunteeren… ).

Woman at work...... man at work.

Leh gefiel mir wirklich gut, ich wurde nicht blöd angequatscht, alle grüßten sich und lächelten ohne Hintergedanken und übertriebene Neugier, es gab zwei Organic Shops (im Vergleich zu dem einen, den wir in Delhi gefunden hatten…), es schien jeden Tag die Sonne und Leh ist von schneebedeckten Bergen umgeben. Die Arbeiter und Arbeiterinnen auf der Baustelle waren total lieb und lustig, auch wenn wir uns nur mit Händen und Wortbrocken verständigen konnten. Es gab jeden Tag leckeren Chai mit Hafermehl und selbstgebrautes Bier, in das man auch Mehl rein schütten konnte. Ich hab das nach einem mal probieren wieder gelassen *schüttel*.

Total witzig war noch, dass wir nach einer Woche in Leh im Internetcafé den Konrad trafen, der auch mit dem Fahrrad (fast) bis nach Indien gefahren war und den Matze schon mal im iranischen Konsulat in Erzurum, Türkei getroffen hatte und der – wie wir fassungslos feststellten – Dresdner und ein Nachbar von Matze ist. Spontan luden wir ihn zum geplanten Pizza essen ins Volunteerhaus ein und seitdem trennten sich unsere Wege erst wieder in Manali, weil er von Indien die Nase voll hatte und das Land schnellstmöglich von Delhi aus verlassen wollte. Zusammen bestiegen wir die Shanti Stupa, sangen Prinzen-Lieder, kochten Soljanka, quatschten einen Sonntag durch,spielten Beatbox , probierten Manali Masala und machten uns später todesmutig auf den Rückweg nach Manali. Konrads Fahrrad war immer mit dabei.

Matze and Konrad are fixing Konrad's bike on the bus to Delhi while its already driving!!

Nach 1 ½ Wochen hatten wir unsere Tür in Handarbeit fertig gestellt und in das noch entstehende Haus eingehängt. Matze wollte eigentlich noch etwas länger bleiben und arbeiten, denn immerhin hat er zwei Jahre davon geträumt, hierher bzw. nach Tibet zu kommen. Ich musste allerdings langsam wieder zurück in Richtung Nepal, weil am 11. Oktober mein indisches Visum ablief und die indischen Behörden dabei keinen Spaß verstehen.

Matze entschied sich dann doch, mit mir zu kommen und so ruckelten wir zusammen mit Konrad wieder 18 Stunden und mit einem Fahrer zurück über die Berge nach Manali, wo wir uns aber diesmal einen Tag Pause nahmen, die German Bakeries durchtesteten und in den heißen Quellen das erste Vollbad seit Monaten nahmen.

Einige Eindrücke von Leh habe ich mal in einem Mini-Filmchen für euch zusammengefasst. Viel Spaß beim Zuschauen und Entspannen 🙂

Aus Manali ruckelten Matze und ich dann wieder allein in Richtung Haridwar, wo ich noch einmal Gaurav und Gurujee besuchte, meine erste Mala geschenkt bekam und eine Kurzeinführung in Selbsthypnose.

Zwei Tage vor Ablauf meines Indien-Visums setzten wir uns in den Bus nach Haldwani, von wo aus wir am letzten Tag meines Visums in Richtung Nepal aufbrachen. Doch Indien wollte mich nur schwerlich loslassen, denn wir landeten am falschen Grenzübergang und der freundliche nepalesische Grenzpolizist wollte uns ohne nepalesisches Visum einfach nicht über die Grenze lassen, während wir felsenfest behaupteten, dass man das Visum an der Grenze selbst bekommt. Nachdem eine halbe Stunde kostbare Zeit mit diskutieren drauf gegangen waren, stellte sich raus, dass wir am falschen Grenzübergang waren und man hier wirklich kein Visum bekommen kann. Also heizten wir der Dämmerung entfliehend zurück und zum richtigen Grenzübergang knapp 20 km weiter südlich. Als ich den indischen Stempel mit dem richtigen Datum in meinem Pass hatte, war es geschafft und wir gönnten uns an eine der zahlreichen Alkohol-Buden erstmal ein Radler auf den ganzen Stress. Der freundliche nepalesische Immigration-Officer stand für uns nochmal von seinem Abendbrot auf und stellte uns im Unterhemd unsere Nepal-Visen aus. Freundliche nepalesische Betrunkene zeigten uns den Weg in die Grenzstadt Mahendranagar und wir fanden noch Essen und ein Bett in einem namenlosen Guesthouse.

Willkommen im Land der höchsten Berge der Welt und der wohl größten Dichte an weißen Trekkern über 50 außerhalb der Alpen… Willkommen in Nepal! 🙂

Namaste und bis bald,

Julia