Tag Archive: Menschen


Goa und mehr – irgendwie anders!

Meine Lieben,

da ihr jetzt nun gerade fast up to date mit mir seid, will ich diesen Blogeintrag nutzen, um euch über die Wochen seit Nepal zu berichten und damit die Lücke zum jetzt zu schließen.

Als wir Nepal schweren Herzens über den Grenzübergang bei Lumbini verließen, hatten wir die Tickets für meine längste Zugfahrt ever schon in der Tasche. Wir wollten nach Goa, und zwar so direkt wie möglich, ohne zu fliegen. In der unscheinbar-hässlichen und eindeutig wieder indischen Stadt Gorakhpur setzen wir uns am 26. Dezember mittags in den ersten Zug und kamen am nächsten Morgen in Delhi an… naja, zumindest fast, denn wir verpassten denn Ausstieg (es gibt weder Schaffner, Durchsagen oder Anzeigetafeln und nicht immer lesbare Tafeln am Bahnsteig) um zwei Stunden und nur ein netter Lehrer auf dem Weg zur Arbeit, der uns nach unserem Ziel fragte, klärte uns auf, dass wir schon 100 km zu weit gefahren sind. Auf den Schreck stiegen wir erstmal zusammen aus, bekamen einen Tee, Kekse und die Rikschaw zum Busbahnhof spendiert und saßen schneller als wir den Namen des Ortes aussprechen konnten, wieder in einem Bus zurück nach Dehli. War aber alles halb so wild, denn wir hatten in weiser Vorraussicht immer mindestens zehn Stunden Puffer zwischen unseren Anschlusszügen gebucht… immerhin ist das hier Indien, da weiß man nie 😉 In Delhi angekommen gab’s erstmal spitzenmäßigen Brunch, bevor wir uns dann zu einem der zig Bahnhöfe durchfragten. Delhi war bei meinem dritten Besuch so kalt wie nie und die 45° C vom Mai 2011 konnte ich mir bei den Menschen in Schals und Mützen kaum noch vorstellen. Abends um neun ging es dann mit dem zweiten Zug weiter nach Mumbai… ganze 1 ½  Tage und zwei Nächte im selben Zug. Wir waren in der Sleeper Klasse, hatten jeder sein eigenes Bett  bei billigen Tickets und an jeder Haltestelle kamen unzählige Verkäufer und Verkäuferinnen vorbei, die alles von Guaven, Orangen, Tomaten, Gurken, Kerbel, Erdnüssen, Samosas, Reis mit Gemüse, Tee und Kaffee über Schmuck, Schlüsselanhängern, Puppen und magische Würfel bis hin zum Auskehren des mit Teebechern, Erdnussschalen und Servietten gesprenkelten Abteils anboten.

Wir fuhren aus der Kaltfront um Delhi in die Wüsten Rajasthans, in denen durch die Wunder der Irrigation trotzdem noch Baumwolle wächst… nicht mehr lange, schätze ich 😦 Als wir beide schon nicht mehr sitzen konnten, kamen wir endlich vor Sonnenaufgang in Mumbai an. Nach zwei Tee und dem Sonnenaufgang fuhren wir zu Mumbai’s historisch-riesigem Hauptbahnhof, der Victoria Station, um unser Gepäck abzugeben und unbeschwert die Megametropole zu erkunden. In Mumbai hatte sich seit meinem letzten Besuch 2007 einiges getan, es gibt jetzt eine riesige Hängebrücke über die Meeresbucht und wie in anscheinend allen größeren Städten werden überall Überführungen und Flyover gebaut, in ehemaligen Slumsiedlungen wurden 20-geschossige Häuser gebaut und die Luxushotels reihen sich dicht an dicht. Die barfüßigen Bettler davor scheinen für alle Beteiligten kein allzugroßer Kontrast zu sein. Wir liefen durch die Viertel und entlang der Promenade am Indischen Ozean (Matze’s erstes Mal), trafen weitsichtige Bettler die uns aus ihrem aufregenden Leben in Goa und ihren irren Landesgenossen erzählten, schauten uns wie alle Touristen das Gate of India und das wieder sanierte, nicht mehr bombengeschädigte Hotel „Taj Mahal“ direkt daneben an, warem im selben Restaurant essen, in dem ich auch schon 2007 war, waren in einer Galerie mit temporären Ausstellung moderner indische Künstler, fanden durch Zufall einen Organic Shop ganz versteckt in einem Hinterhaus, waren in einem Hochsicherheits-Kino um Sherlock Holmes zu sehen und setzten uns anschließend in den dritten Zug, der uns gute 14 Stunden später am 30. Dezember endlich in Goa ausspuckte.

Don't take life too serious...Rotting luxury in Mumbai

Wir hatten 3.500 km in 4 Tagen und halb Indien hinter uns gebracht und waren von den nepalesischen Hochgebirge direkt ins tropische Portugal Indien‘s gefahren. Puh! Fazit: Ich liebe Zugfahren in Indien! Besondern weil man sich dabei die Hupen, die Menschenmassen, den Staub und Müll erspart… also einen Großteil der anstrengenderen Seite Indien’s 😉

Welcome to Goa :)Welcome to the beach :)

In Goa angekommen, waren wir wieder raus aus Indien. Das hier ist anders. Plötzlich gibt es statt Hindutempeln Kapellen, statt Krishna Jesus, statt Gaurav Pratap heißen die Menschen hier Josef Gonzalves, in 50 m Strandabstand nimmt die Dichte halbnichtbekleideter weißer Menschen exponentiell zu und statt ästhetisch fragwürdiger Betonwürfel stehen hier süße portugiesische Villchen. Und trotzdem sehen hier die meisten verdammt indisch aus 😀 Goa ist anders, und alle wissen es, besonders die jungen Inder, die sich hier nach einem Jahr durcharbeiten mal für vier Tage entspannen können und die Urlaubsfotos danach lieber nicht ihren Eltern und Verwandten zeigen wollen („They would kill me… literally“ Zitat unseres indischen Zimmernachbarn). Um nicht ganz im Megatrubel zu sein, entschieden wir uns für Anjuna, das alte Hippiedorf, das aber nicht mehr das ist, was es mal gewesen sein soll. Jetzt gibt es auch hier wie überall an Goa’s Stränden unzählige Shops, Restaurants, Bars, Yogacenter, Massagestudios, Schönheitssalons, Buchläden, Internetcafe’s, Haschischdealer, Kokospalmen und Tattoostudios, nur vielleicht ein paar weniger als in den Haupttouristenorten.

Silvester feierten wir ein bisschen mit unseren indischen und französischen Zimmernachbarn, bevor wir uns zum Jahreswechsel an den Strand setzten, um das Feuerwerk, die Sterne und das neue Jahr zu begrüßen. Die Goa-Party am Strand fiel leider aus und so war es ein eher gemütliches Silvester.

Wir hatten ein kleines Zimmer in einer fast nicht als solchen zu erkennenden Lodge in der vierten Reihe hinter der Straße gemietet, denn das war das einzige, das nicht wegen Silvester das zehnfache als normal kostete und auch eines der wenigen, das überhaupt noch Zimmer hatte. Die Familie wohnte gleich nebenan, ihr Hund sonnte sich regelmäßig auf unseren Füßen und nach einer Weile hatten wir auch eine kleine Küche für uns. Die ersten Woche im neuen Jahr waren wir deshald hauptsächlich faul… ich habe so ziemlich das komplette Permaculture Designer’s Manual am Netbook durchgelesen (warum erzähl ich später), wir frühstückten und kochten zu Hause, schrieben Blog und lange überfällige Mails, machten Yoga im Flur, durchstöberten die Buchläden nach Reiseführern und anderen interessanten Sachen und lasen, was wir fanden, erlebten und überlebten den berühmten Mittwochs(Floh)Markt, besuchten meine Bekannten Robert und Kozue in ihrem Raw Food Restaurant im benachbarten Vagator und erkundeten Mapusa, die Hauptstadt Nordgoa‘s. Ansonten erwanderten wir den Strand Anjuna’s und das Hinterland von Anjuna und Vagator. Ach ja, und zwei Strandtage gabs auch noch. Pure Faulheit eben 😀

Last sunset in 2011Day on the beachHarvesting CoconutsJump!

Nach einer Woche hatte die Faulheit ausgediehnt und wir brauchten ein Dosis Action und Kultur. Also rein in den nächsten Bus und auf ins Hinterland. Über Mapusa und Panjim, der Hauptstadt Goa’s, fuhren wir nach Old Goa, die ehemalige Hauptstadt der ehemaligen portugiesischen Kolonie Goa und zu seiner Zeit (16. Jh.) die größte bekannte Stadt der Welt, noch vor Rom und Lissabon, auch das „Rom Asiens“ genannt, heute Weltkulturerbe. In Old Goa steht die größte Kirche Asiens, umgeben von anderen, immer noch ziemlich großen Kirchen und Klosterresten und überhaupt… Kirchen… in welchem Land war ich nochmal?!

Entrance to the most special garden of MargaoThe most special garden of Margao

Anschließend waren wir einen Tag in Margao, der Hauptstadt Südgoa’s mit ihren schönen Parks, ramschig-süßen Buchläden und einem ganz besonderen Garten mit einem noch besondereren Gärtner! Margao war eine Zwischenstation auf dem Weg zu unserem eigentlichen Ziel: Palolem. In Palolem war ich 2007 auch schon einmal, allerdings im Monsun und der off-season, so dass ich den Ort jetzt fast nicht wiedererkannte. Palolem hat einen riesigen Sandstrand, noch mehr Restaurants, noch mehr Yoga, noch mehr Kokospalmen und Strandhütten, aber weniger Haschischdealer… this is a family place 😉 In Palolem verbrachten wir ein Wochenende, in dem ich bei einem zweitägigen Kurs von Kate Magic einiges mehr über Raw Food lernte (und machte), Nathalie, Panta und ihren aristokratischen Hund von Bhakti Kutir kennen lernte und einen Höhenflug von unseren selbstgemachten Raw-Chocolate-Kugeln hatte *hui*.

Old GoaOld GoaPraising Jesus - naked IndianBasilica of Old Goa

Genau Mitte Januar verabschiedeten wir uns endgültig von unserer Strandhütte, dem weißen Sand und dem Meeresrauschen und fuhren zurück nach Panjim. Hier schauten wir uns die zuckersüße Kirche der Unbefleckten Maria an, kühlten uns in den nun wirklich portugiesischen Parks und tranken zuckersüßen Kaffee. Den nächsten Tag verbrachten wir blogschreibend und lesend, um abends den Nachtbus nach Bangalore zu nehmen, der IT-Hauptstadt Indiens und mit Abstand die reichste Stadt, die ich in diesem Land bisher gesehen habe. Früh angekommen und keine Zeit verschwendet, direkt in den nächsten Bus nach Chennai gesetzt, der Hauptstadt Tamil Nadu’s am Golf von Bengalen. Von Küste zu Küste in einem Tag.

In Chennai überkam uns erstmal der Stadtshock… 6 Millionen Menschen zusammen, soviel hatten wir seit Mumbai nicht mehr erlebt. Am 19. Januar erkundeten wir nach einem gemütlichen Morgen eines der vielen Stadtzentren zu Fuß und fragten uns bis zum Strand, dem größten Strand der Welt nach der Copa Cabana, durch. Verhältnis von Sand, Menschen, Verkaufständen und Plastik ungefähr 2:1:1:2! Schön ist was anderes, besonders wenn direkt neben dem Strand die Kloake… ähm ich meine, der Hauptfluss durch Chennai ins Meer mündet. Die meisten Flüsse, die ich bis jetzt in den großen Städten Indien’s gesehen habe, sind bestimmt nicht nur tot, sondern auch tödlich. Auf dem Rückweg spricht uns ein Rikschawfahrer aus Sri Lanka an und bietet uns an, uns kostenlos zu einigen Sehenswürdigkeiten Chennai’s zu fahren, wir müssten dafür nur danach in ein zwei Läden vorbeischauen, so tun als würden wir was kaufen wollen, was wir aber nicht müssten und er würde dafür von den Läden dann Benzingutscheine bekommen. Give-and-take-policy meinte er, klingt fair meinten wir! So offen und lustig hat mir das noch kein Rikschawfahrer gesagt, auch wenn ich nicht das erste Mal so eine Tour mitmachte. Also fuhr er uns zur einzigen Kirche auf dem Grab eines Apostels in Asien (der Petersdom und Santiago de Compostela sind die beiden anderen weltweit), der Kirche des Apostels Thomas, der predigend bis nach Südindien kam und der ein nicht in der Bibel enthaltenes Evangelium geschrieben hat. Die Kirche war unglaublich bunt (auch weil gerade eine Hochzeit gefeiert wurde) und informativer als alle Kirchen, in denen ich bis jetzt war. Wer hätte das gedacht?! Danach fuhren wir zu einer riesigen Shiva-Tempelanlage und erlebten hunderte Hindus, dutzende Tempel und tausende Götter in dem doch noch um einges verwirrenderem Hinduismus. Nach dem Vergnügen kam die Arbeit und wir mussten in drei Läden voll mit Juwelen, Teppichen und 50 kg schweren Bronzestatuen reingehen (…also alles Dinge, die UNBEDINGT in meinen Rucksack müssen…) und mit verkrampften Lächeln für mindesten fünf Minuten so tun, als würden wir eine Tasche, einen Seidenschal oder ein Schachspiel kaufen wollen… danach taten mir die Kiefermuskeln weh. Unser lieber Rikschawfahrer fuhr uns um drei Tankgutscheine reicher bis vor die Hosteltür und wir dankten einander für die erfolgreiche (Aus)Nutzung bestehender Systeme 😀

Nach einem Tag und zwei Nächten Megacity, die aber von sehr netten und kommunikativen Menschen bewohnt zu sein scheint, saßen wir wieder im Bus nach Pondicherry und damit FRANKREICH! Aber dazu beim nächsten Mal mehr 😉

Liebste Grüße,

Julia

Nepal – Dach der Welt mit Aussicht

Hallo ihr Lieben!!

Willkommen im neuen – und vielleicht letzten in der Welt wie wir sie bisher kennen – Jahr 2012! Ich hoffe, ihr habt den Jahreswechsel und den Feiertagstrubel davor ohne größere seelische Schäden überstanden und habt euch schon etwas an die neue Jahreszahl gewöhnt.

Als kleine nachträgliche Neujahrssüßigkeit fasse ich mal mit ein paar Worten und ein paar mehr Bildern meine letzten Monate zusammen. Wir – das sind Matze und ich – waren jetzt insgesamt 2 1/2 Monate in Nepal. Matze hat seine Sicht dieser Zeit in seinem Blog zusammengefasst. Nachdem wir am letzten Tag meines indischen Visums am 11. Oktober in Nepal einreisten, fuhren wir erstmal ziemlich direkt mit einem Taxi samt seinem Fahrer und seinen abwechselnd weiß und pink lackierten, langen Fingernägeln und in den zehn Stunden Fahrt endlos wiederholten Shakira-Liedern nach Pokhara. Pokhara ist die zweitgrößte Stadt Nepals und sicher auch die touristischste. Dementsprechend haben wir so ziemlich alles gemacht, was man dort als „Tourist“ machen kann, außer Paragliden. Wir sind Boot gefahren, haben bestimmt ein Drittel der Restaurants getestet, haben die Shanti Stupa zum Sonnenuntergang besucht und sind zum Sonnenaufgang auf den 1.592 m hohen Sarangkot gestürmt, um das Annapurnamassiv in Erleuchtung zu sehen 😉 Außerdem trafen wir uns mit zwei bis dahin noch Unbekannten aus der Nähe von Dresden zum Frühstücken und Kennen lernen in ihrer Wohnung, wobei ich noch eine Freundin von mir aus Dresden bei den beiden getroffen habe, die gerade dort zu Besuch war. Fazit mal wieder: Dresden ist ein DORF!!!

On the roads in NepalSomewhere underneath there is a car...

Sunrise at the Annapurna range

Looking how a river in Pokhara disappears into the mountain

Danach liefen und trampten wir die rund 200 km bis nach Kathmandu, wobei wir einigen hilfsbereiten Taxifahrern noch die Idee hinter dem Trampen näherbringen konnten 😉 Nachdem wir am letzten Tag des Diwalifestivals in Kathmandu, der brizzeligen Hauptstadt Nepals, angekommen waren und uns langsam an den gestiegenen Geräusch- und Bleipegel in der Luft gewöhnt hatten, bereiteten wir uns auf die Trekkingtour mit einem Freund von mir aus Berlin vor. Wir kauften in einem der unzähligen Trekkingshops bei ziemlich hohen Temperaturen Handschuhe, Mützen und Wollsocken und wühlten uns durch Kisten mit Fake-„Northface“-Funktionsshirts für umgerechnet 2 Euro! Nachdem sich Sebastian von seinem Berlin-Kathmandu-Flug erholt hatte, ging es nun zu dritt für einen vollen Monat im Vorland und dem Nationalpark um den Mt. Everest herum trekken.

Old KathmanduTemple of the living goddess

Diwali in KathmanduOne of the thousands of temples in Kathmandu

Am Ende der Straße (im wahrsten Sinne des Wortes!) in Jiri liefen wir los und genossen so fünf Tag im fast noch tropischen Nepal, immer einen Bergpass hoch um auf der anderen Seite wieder runter zu laufen und den nächsten zu erkraxseln, bevor es dann ab Lukla touristischer und voller entlang des Weges wurde, denn die meisten Trekker lassen sich direkt von Kathmandu hier einfliegen. Nach diesem Anfangstraining überschritten wir in Thame die 4.000 m Marke und sollten sie für die nächsten 14 Tage nicht mehr unterschreiten. Euphorisch und sicher ein bisschen high von dem wenigen Sauerstoff in der Luft, wagten wir uns gleich am nächsten Tag auf den 5.300 m hohen Sundar Peak, wobei ich beim Absteigen mächtige Kopfschmerzen bekam, die nur mit dem Übernachten in einem tiefer gelegenen Ort behoben werden konnten. Das war zum Glück meine einzige schmerzhafte Erfahrung mit der Höhenkrankheit (wobei einem das Gehirn anschwillt oder sich Wasser in den Lungen sammelt und an der jedes Jahr Trekker sterben) auf unserer Trekkingtour, hat mir aber genügend Respekt vor ihr verliehen. Nach einigen etwas, gemütlicheren Akklimatisierungstagen mehr gingen wir dann unseren ersten Pass, den Renjo La mit 5.300 m an. Wir liefen vor Sonnenaufgang frierend los, brauchten für jeden Schritt mindestens drei Atemzüge und kamen kurz vor der Dunkelheit völlig fertig in Gokyo an, wurden dafür aber mit einem phantastischen Ausblick auf so ziemlich ALLE Berge des Nationalparks belohnt. In Gokyo ruhten wir uns zwei Tage aus, lagen am See in der Sonne und erkundeten die höher gelegenen Seen. Unser zweiter Pass, der Cho La mit 5.370 m auf dem Weg nach Lobuche war zwar nicht anstrengender, aber gefährlicher, so dass Sebastian und ich danach keine Lust mehr auf Pässe hatten.

Tropical NepalOne of countless suspension brigdesOn the way to the Sundar PeakTake a breath... ehm break :)

Der nächste Tag führte uns in den höchstgelegenen Ort unserer ganzen Tour mit dem sicherlich auch höchstgelegenen Internetcafe der Welt: Gorak Shep mit 5.164 m. Von hier aus erklommen wir den nochmal 400 m höheren Kala Patar, auf dem wir uns eine Stunde lang nicht an der besten Aussicht auf den Mt. Everest und meinem neuen Lieblingsberg, dem Nuptse, satt sehen konnten. Auch das Basecamp des Mt. Everest besuchten wir, wobei ich den Weg über den Gletscher und den Khumbu-Eisfall spannender fand als die Reste der sonst vorhandenen Zeltstadt im Basecamp auf 5.364 m. Wer von hier aus wirklich noch höher will, braucht meiner Meinung nach eine festen Umarmung und / oder ärztliche Hilfe! 😀

One of the lower mountain passesOn top of Sundar Peak (almost)

Da wir noch viel Zeit hatten, wanderten wir von hier ins Chukung-Tal und erklommen zum Spaß zusammen mit Alex aus unserer Lodge noch den 5.550 m hohen Chukung Ri, während es Matze’s und Sebastian’s Verdauungsapparate nacheinander aushebelte. Langsam zog ich die Jungs anschließend wieder hinunter ins Tal nach Namche Bazaar, wo dann mein Verdauungsapparat an der Reihe war. Ziemlich wackelig schafften wir Sebastian dann zu seinem Flugzeug nach Lukla und brauchten selbst noch ganze fünf Tage, um über eine noch recht unbekannte Route nach Kathmandu zurück zukommen.

View from Renjo LaNgozumbe glacier as far as one can see

Im Bild unten seht ihr nochmal den Großteil unserer Hauptroute (rot) und die Tagesausflüge und -gipfel (gelb).

Our tour through the Sagarmatha-(Mt. Everest)-National Park

Alles in allem war es völlig neu für mich (mein erstes Mal Bergwandern überhaupt…), superschön und eigentlich nur mit Bildern zu begreifen und ziemlich anstrengend. Da wir unser eigenes Gepäck getragen haben (das machen bei weitem die wenigsten Trekker in der Gegend…), jeden Tag gut fünf Stunden gelaufen sind und die meiste Zeit über 3.000 bzw. 4.000 m waren, hatte ich trotz drei mal ordentlich essen am Tag gut 10 kg abgenommen, meine Northfake-Hose schlackerte nur so an mir rum und der Durchfall gab meinen Kräften den Rest. Nach 35 Tagen unterwegs war ich also froh, wieder nach Kathmandu zurück zukehren, auch wenn das wieder Straßen, Motorräder, Autos, Luftverschmutzung und Lärm bedeutete…. aber neben anderen schönen Dingen eben auch mein Lieblingsrestaurant „Funky Buddha“ 😉

In Kathmandu blieben wir noch einmal knapp zwei Wochen in einem billigen und familiären Hostel in Thamel, dass mich stark an das Million Dollar Hotel von Wim Wenders erinnerte, und stellten erstmal unseren gesunden Normalzustand wieder her 😀 Dabei lernten wir im Funky Buddha noch einen Trekkingguide kennen, der mal kein Geld von uns haben wollte und uns statt dessen noch schnell einen Volunteer-Platz für eine knappe Woche in Gerkhutar in der Nähe von Kathmandu vermitteln konnte, wo wir bei einer Familie wohnten, köstlichst bekocht wurden, Knoblauch pflanzten, Blumenkohl ernteten, über die Lage Nepals diskutierten und viel Tee tranken. Außerdem kümmerten wir uns um ein zweites Visum für Indien und ein Work and Holiday Visum für Australien, wofür ich mir allerdings noch in einem internationalen Krankenhaus den Nachweis zur Tuberkulose-Freiheit erröntgen durfte. Davon abgesehen hat aber alles wie am Schnürchen geklappt und Australien flüstert schon leise „so where the bloody hell are you??“ 🙂

Our host in GerkhutarThe organic farm in Gerkhutar
On a dayetrip  to the former king's palace...
.. with the brother of our host.

Kurz vor Weihnachten verabschiedeten wir uns von der Hauptstadt und verbrachten den 24. Dezember in Lumbini, der Geburtsstätte Buddha’s, was ich ziemlich passend fand. Der Morgennebel in Lumbini machte den Ort für uns zu einer magischen, weißen Weihnacht, während wir den Stein, auf dem Buddha geboren sein soll, Klöster, die zur Beginn unserer Zeitrechnung schon standen und eine weitere Shanti Stupa besuchten.

Nach 2 1/2 Monaten, zwei Visaverlängerungen, zehntausenden Höhenmeter und mindestens 4 Klimazonen nach unserer Einreise verließen wir dieses unglaublich vielseitige Land am 25. Dezember wieder in Richtung Indien. Ich hatte mir nie viele Gedanken über Nepal gemacht und wusste fast nichts über dieses spannende Fleckchen Erde. Es ist ein Land mit vielen Geschichten und Gesichtern, von denen die meisten Touristen nur einige wenige hören und sehen und man sicher mehr als ein Leben braucht, um alle kennen zu lernen (…so eine Wiedergeburt kann schon praktisch sein 😉 ). Ich habe am meisten die Menschen hier ins Herz geschlossen, die mir entspannt, gastfreundlich, selbstsicher, geschäftstüchtig, selbstversorgend, bunt, kreativ und immer großzügig mit ihrem Lächeln erschienen, so dass Nepal zu so etwas wie einem Aufatmen zwischen den Besuchen im hektisch-schnellen (Nord)Indien für mich geworden ist. Ich danke dir Nepal und ich würde gern wiederkommen! 🙂

Alles Liebe,

Julia 🙂

White fog - white Christmas in LumbiniThe tree Buddha was born underBuddha and prayer flagsZen

Our third Shanti StupaUndefined animal on Shanti StupaSleeping Buddha on the Shanti StupaChristmas eveAnd finally... there's the big one - Mt. Everest - and my favourite on, Nuptse on the right

Lang lebe Leh!

So liebe Leser (ich liebe Alliterationen!!),

da ihr nun so lange, geradezu Ewigkeiten auf meinen letzten Blogeintrag warten musstet, schiebe ich gleich noch einen hinterher, damit sich das auf-meinen-Blog-schauen auch mal wieder richtig lohnt!

Nachdem ich die Berge Uttarakhands im Taxi in Schlängelfahrt, mit lauter Pahari-Musik und vom Vollmond beschienen in Richtung Delhi verlassen hatte, empfing mich erstmal die Hitze der Plains. Denn während es in den Bergen schon langsam merklich Herbst geworden war, war es in den Plains nur weniger heiß geworden. Ich schwang mich in Kathgodam, dort, wo die Zuglinien in Richtung Himalaya enden, in den Nachtzug nach Delhi, auf dem gut lesbar für alle die Namen und Plätze aller Passagiere an der Außentür prangen… soviel zum Datenschutz. Gemütlich ruckelnd dämmerte ich bald auf meinem Liegeplatz weg, bevor der Zug planmäßig um vier Uhr morgens Delhi Hauptbahnhof erreichte. Ich hatte mich schon vorher mit Saha und Caro (die für die restliche Zeit ihres Praktikums inzwischen bei Saha eingezogen war) verabredet und die beiden wollten mich mit einem Morgenspaziergang abholen. Bis die Metros um 6 Uhr ihren Betrieb aufnahmen und ich zu den beiden fahren konnte, waren es aber noch zwei Stunden hin, also setzte ich mich in ein Bahnhofsrestaurant, fragte mich wie um Himmels Willen es um diese frühe Stunde so unglaublich heiß sein kann und wieso um Himmels Willen zu dieser frühen Stunde am Bahnhof genauso viel los zu sein schien, wie zu jeder anderen Tageszeit! Ich braucht noch eine Stunde vom Bahnhof zu der Metrostation, an der ich mich dann mit Saha traf. Die Ticketcounter in der Metro öffnen eine Stunde, bevor der erste Zug fährt und die Menschenschlangen füllten den kompletten Vorraum… früh um 5. Delhi schafft mich einfach!

Saha und Caro gingen nach einem ausgiebigen Willkommens-Frühstück mit mir beide arbeiten und ich verbrachte den Tag hauptsächlich mit dem Versuch, mich an das wieder andere Klima zu gewöhnen und damit, den Kühlschrank zu füllen. Abends tranken wir ein paar Bierchen zusammen, rauchten, philosophierten, lachten, sangen und kramten unsere Lieblingsmusik der letzten Jahre aus dem Internet.

Der nächste Tag hielt seinen Höhepunkt erst am Abend bereit, aber nervös war ich schon die ganze Zeit davor… Matze kam nach Delhi! Obwohl er fast zur selben Zeit wie ich aus Deutschland Richtung Indien aufgebrochen war, hatte er eine komplett andere Reise hinter sich als ich. Er fuhr mit dem Fahrrad. 7.500 km. Bis nach Tadschikistan. Vier Monate lang. Einige Ersatzteile, eine Hose und eine Arschbacke mussten (zeitweise) dran glauben, dann hatte er Osteuropa, Türkei, Iran, Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan durchritten. Eigentlich wollte er Indien komplett auf dem Landweg erreichen, was aber vor diesem Winter nicht mehr zu schaffen war, vor allem, weil man auf die einzelnen Visen so lange warten muss. Also kam er nach Delhi geflogen. Den Durchfall brachte er gleich mit nach Indien und die Umstellung von der Tadschikischen Wüste auf Delhi im Postmonsun machten ihm noch zusätzlich zu schaffen. Schöner Schock eben 🙂

Saha kündigte am selben Tag seinen Job und hatte daher unverhofft viel Zeit, etwas mit uns zu unternehmen. Zu dritt schauten wir uns die letzten Monsunregenschauer in Delhi an, bei dem die Straßen Delhi’s weg schwammen und nicht mal mehr Rikshaws fuhren. Mit Caro ging es abends auf den Dilli Haat, einen Kunsthandwerksmarkt für Touristen, wo ich auch einen Stand der Kooperative von Navdanya fand. Am nächsten Tag besuchten wir mit Saha zusammen das Qutb Minar, den ehemals höchsten Turm der Welt und Erinnerung an die frühe Kultur der Moghuls in Indien und den wunderschönen „Garden of the five senses“. Abends gingen Caro, Saha und ich tanzen zu einer Drum’n’Bass-Party mit zwei DJs aus Amsterdam. Die Tanzfläche war so klein wie das Bier teuer, aber der Club war gut gemacht und ich war hin und weg, nach fünf Monaten zum ersten mal richtig abzutanzen… bis um zwei, der Zeit wenn alle Clubs in Delhi dicht machen 😉 Am Samstag machte ich nochmal Pancakes für alle, bevor Matze und ich uns Richtung Chandigard aufmachten.

Delhi in Monsun... everything flows!Arabic reliefs near Qutb Minar

In Chandigard angekommen, hatten wir Indien verlassen und das sollte für die nächsten zwei Wochen so bleiben. Chandigard ist zwar voll mit Indern, aber die komplette Stadt wurde kurz nach der Unabhängikeit Indiens von dem Stararchitekt Le Corbusier geplant und erinnert eher an eine europäische Stadt der 70er. Die Hauptstraße erinnerte mich stark an die Prager Straße und die Menschen verteilten sich auf den breiten Straßen, unter den vielen Bäumen und in den weitläufigen Parks, so dass die ganze Stadt ziemlich entspannt aber auch etwas leer wirkte. Aber gut, es war auch Sonntag 😉

Am Montag den 19. September setzten wir uns zehn Stunden in den Bus nach Manali, um dort zehn Uhr abends anzukommen und direkt ins shared taxi nach Leh einzusteigen. 18 Stunden Fahrt über mehrere 5.000 m Bergpässe, eine Nacht und einen Tag mit einem Fahrer. Yeah.

Somewhere on the way to Leh in the deserted mountains of Ladakh

Nach 30 h Gesamtfahrtzeit kamen wir im 3.500 m hohen Leh und damit gefühlt eher in Tibet als in Indien an. Hier war es wirklich gemütlich, etwas kühl, es gab jede Menge Äpfel, gerade abnehmende Touristenscharen und daher immer weniger offene Cafés. Überall prägten Lehmhäuser, Pappeln, Weiden und Gärten das Stadtbild, buddhistische Gebetsmühlen und muslimische Gebetsrufe erfüllten die Stadtluft und es wimmelte vor freundlichen Lehanerinnen und Lehanern, die Lachfalten vor allen anderen Falten haben und alles mit „julay“ kommentieren, was gleichzeitig „hallo“, „bitte“, „danke“, „gut“ und „tschüß“ heißt, was die Kommunikation ziemlich vereinfacht 😉

Am Anfang hatten wir etwas mit der Höhenkrankheit zu tun (von wegen langsame Anpassung an die Höhe… haha), was uns Kopfschmerzen und Kurzatmigkeit bei jeder zu schnellen Bewegung einbrachte. Also haben wir am Anfang etwas abgehangen und den Garten und die Äpfel von unserem ersten tollen Guesthouse Lakrook genossen, bevor wir nach drei Tagen ins Haus der Volunteers des Tibet Heritage Funds gezogen sind, mit dem wir dann für 1 ½ Wochen an der Restauration von traditionellen Holz-Lehm-Häusern in der Altstadt von Leh arbeiteten. Matze wurde mit dem Bau einer traditionellen Tür für ein neues Café in Old Leh betraut. Ich war zum Teil mit auf der ziemlich entspannten Baustelle, habe Steine geschleppt, Holz gehobelt, gestechbeitelt, geleimt und an der Tür rumgeschnitzt und habe in der restlichen Zeit versucht, etwas Ordnung in das ziemlich verwahrloste und fehlkonstruierte Volunteer House zu bringen (und das, wo hier nur Architekturstudenten volunteeren… ).

Woman at work...... man at work.

Leh gefiel mir wirklich gut, ich wurde nicht blöd angequatscht, alle grüßten sich und lächelten ohne Hintergedanken und übertriebene Neugier, es gab zwei Organic Shops (im Vergleich zu dem einen, den wir in Delhi gefunden hatten…), es schien jeden Tag die Sonne und Leh ist von schneebedeckten Bergen umgeben. Die Arbeiter und Arbeiterinnen auf der Baustelle waren total lieb und lustig, auch wenn wir uns nur mit Händen und Wortbrocken verständigen konnten. Es gab jeden Tag leckeren Chai mit Hafermehl und selbstgebrautes Bier, in das man auch Mehl rein schütten konnte. Ich hab das nach einem mal probieren wieder gelassen *schüttel*.

Total witzig war noch, dass wir nach einer Woche in Leh im Internetcafé den Konrad trafen, der auch mit dem Fahrrad (fast) bis nach Indien gefahren war und den Matze schon mal im iranischen Konsulat in Erzurum, Türkei getroffen hatte und der – wie wir fassungslos feststellten – Dresdner und ein Nachbar von Matze ist. Spontan luden wir ihn zum geplanten Pizza essen ins Volunteerhaus ein und seitdem trennten sich unsere Wege erst wieder in Manali, weil er von Indien die Nase voll hatte und das Land schnellstmöglich von Delhi aus verlassen wollte. Zusammen bestiegen wir die Shanti Stupa, sangen Prinzen-Lieder, kochten Soljanka, quatschten einen Sonntag durch,spielten Beatbox , probierten Manali Masala und machten uns später todesmutig auf den Rückweg nach Manali. Konrads Fahrrad war immer mit dabei.

Matze and Konrad are fixing Konrad's bike on the bus to Delhi while its already driving!!

Nach 1 ½ Wochen hatten wir unsere Tür in Handarbeit fertig gestellt und in das noch entstehende Haus eingehängt. Matze wollte eigentlich noch etwas länger bleiben und arbeiten, denn immerhin hat er zwei Jahre davon geträumt, hierher bzw. nach Tibet zu kommen. Ich musste allerdings langsam wieder zurück in Richtung Nepal, weil am 11. Oktober mein indisches Visum ablief und die indischen Behörden dabei keinen Spaß verstehen.

Matze entschied sich dann doch, mit mir zu kommen und so ruckelten wir zusammen mit Konrad wieder 18 Stunden und mit einem Fahrer zurück über die Berge nach Manali, wo wir uns aber diesmal einen Tag Pause nahmen, die German Bakeries durchtesteten und in den heißen Quellen das erste Vollbad seit Monaten nahmen.

Einige Eindrücke von Leh habe ich mal in einem Mini-Filmchen für euch zusammengefasst. Viel Spaß beim Zuschauen und Entspannen 🙂

Aus Manali ruckelten Matze und ich dann wieder allein in Richtung Haridwar, wo ich noch einmal Gaurav und Gurujee besuchte, meine erste Mala geschenkt bekam und eine Kurzeinführung in Selbsthypnose.

Zwei Tage vor Ablauf meines Indien-Visums setzten wir uns in den Bus nach Haldwani, von wo aus wir am letzten Tag meines Visums in Richtung Nepal aufbrachen. Doch Indien wollte mich nur schwerlich loslassen, denn wir landeten am falschen Grenzübergang und der freundliche nepalesische Grenzpolizist wollte uns ohne nepalesisches Visum einfach nicht über die Grenze lassen, während wir felsenfest behaupteten, dass man das Visum an der Grenze selbst bekommt. Nachdem eine halbe Stunde kostbare Zeit mit diskutieren drauf gegangen waren, stellte sich raus, dass wir am falschen Grenzübergang waren und man hier wirklich kein Visum bekommen kann. Also heizten wir der Dämmerung entfliehend zurück und zum richtigen Grenzübergang knapp 20 km weiter südlich. Als ich den indischen Stempel mit dem richtigen Datum in meinem Pass hatte, war es geschafft und wir gönnten uns an eine der zahlreichen Alkohol-Buden erstmal ein Radler auf den ganzen Stress. Der freundliche nepalesische Immigration-Officer stand für uns nochmal von seinem Abendbrot auf und stellte uns im Unterhemd unsere Nepal-Visen aus. Freundliche nepalesische Betrunkene zeigten uns den Weg in die Grenzstadt Mahendranagar und wir fanden noch Essen und ein Bett in einem namenlosen Guesthouse.

Willkommen im Land der höchsten Berge der Welt und der wohl größten Dichte an weißen Trekkern über 50 außerhalb der Alpen… Willkommen in Nepal! 🙂

Namaste und bis bald,

Julia

„Und ich kann, bin ich ehrlich, dir gar nichts versprechen, denn das wäre Betrug, doch du sagst mit ’nem Lächeln Jetzt und Hier ist genug.“ aus dem Liebesbrief von T. D.

Ihr Lieben,

jetzt habe ich euch wirklich lange warten lassen und ich kann keine andere Entschuldigung vorbringen als: Es ist zu viel passiert!

Versetzen wir uns nochmal ein paar Wochen zurück und lasst mich von meinen weiteren Erfahrungen in Almora bei SOS Organics berichten.

Im Juni und Juli habe ich hauptsächlich im Garten  herum gefuhrwerkt, habe Samen von dem freien Samensammelnetzwerk www.kokopelli-seeds.com  aus Frankreich bestellt, bekommen und gesät (von denen bis zu meiner Abreise leider keiner aufgegangen war, was ich mal auf die Differenz von Frankreich und Indien schiebe…), habe jede Menge gepflanzt und verpflanzt und abgeschnitten, habe theoretisch und praktisch über Hanf und manch anderes Superfood recherchiert, habe Besuch von Waseem aus Delhi und von Caro und Burkhardt aus Dresden bekommen und mit ihnen einen Sonntagsausflug in das Tempeldorf Jageshwar gemacht, mit den Katzen gekuschelt (wobei eine die nächtliche Attacke einer Wildkatze nicht überlebt hat…), habe ein Permakulturkonzept für den Garten des Projektes erstellt, habe eine Action Learning Group mit Michel (den ich aus dem Permakultur Seminar in Berlin kannte) und seiner Freundin Lucie gemacht (die beiden haben inzwischen ihre eigene Permakultur-Lern-Reise angetreten und schreiben darüber in ihrem Blog) und habe das ein oder andere Mal für das leibliche Wohl von Amrita und Santosh gesorgt, indem ich abends gekocht habe.

One of the houndreds of small temples in JageshwarIn the enchanted forests of Jageshwar

All for one... ehm all in one!Watching it grow...

Mitte Juli fing der Monsun in Almora an und damit extrem heftige Regenfälle und zum Teil arge Temperaturstürze, so dass ich manchmal echt verwirrt war, in welcher Jahreszeit ich mich eigentlich befinde. Das Regenwetter verkleinerte meine Welt zusehends, die Zeitungen kamen nicht mehr, weil die Straßen nach Almora weggeschwommen waren, Strom und Mobilfunknetze vielen für Tage aus, das hieß auch kein Telefon, kein Internet, also kein Kontakt zum Rest der Welt! Einmal regnete es drei Tage am Stück, in der Ferne konnte man die Erdrutsche als unheilvolles Grollen hören und die einzige Bewegung die ich vollzog, waren die 20 Schritte zwischen meinem Häuschen und dem Büro in der Fabrik. Hinzu kam das ich mich öfter gefragt hatte, was ich eigentlich hier soll. Ich kam ja mit der Erwartung, dass ich bei SOS Organics ganz viel über Permakulturmethoden und praktische Anwendungen lernen würde und das mir das ganze Wissen schon irgendwie präsentiert werden wird. Auf meine Fragen, was Santosh und Amrita denn mit ihrem Garten machen wollen, kam meistens die Antwort „Betrachte es als deinen Garten und dein Projekt und tu, wozu du Lust hast. Probier dich aus und mach ruhig Fehler“. Irgendwie konnte ich mit dieser Freiheit nicht viel anfangen. Ich wollte Vorgaben, Anweisungen, Ziele. Ich war ziemlich verunsichert, habe den Mund nicht auf bekommen aus Angst vor den Reaktionen und bin über diese ganze Ego-Frustration wütend geworden. Wütend auf alles. Und wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es in den meisten Fällen auch wieder heraus, zumindest wenn man es mit zwei so bewussten Menschen wie Santosh und Amrita zu tun hat. Und so kam es zu zwei ziemlich heftigen Aussprachen (ich habe es auch Ego-Smashing genannt…) und pünktlich zum Independence Day stand ich am Rand meines bisherigen Lebens und fragte mich, was ich eigentlich bisher wirklich gesehen, gemacht, gedacht und gefühlt habe. Ich fragte mich mal wieder, wer ich eigentlich bin.

Nach drei Tagen Regenwetter, durchwachten Nächten, Yoga beim Sonnenaufgang und Realitätsschwankungen klarte sich der innere und äußere Himmel wieder auf und ein Regenbogen brachte mich wieder zurück ins Leben.

Danach ergaben sich ziemlich schnell und wie von selbst völlig neue Arbeitsfelder für mich bei SOS Organics. Wir wollten die sich angesammelten Informationen und Filme zu den Visionen von SOS Organics und den Themen Wasser, Natural Farming nach Masanobu Fukuoka, Permakultur und zu dem Food Forest Konzept auch andere zugänglich machen. Also machte ich mich mit neuer Energie an die Gestaltung von DVD-Covern, die Zusammenstellung der DVD-Inhalte und einen Film, der die Arbeitsfelder und Ziele der Foundation von SOS Organics kurz vorstellt.

Der Garten gedieh auch von allein und neben der DVD-Sammlung machte ich mich daran, die erst kürzlich gekaufte HandyCam nun auch mal richtig auszuprobieren. Da ich mich ja bereits seit Beginn meiner Zeit bei Santosh und Amrita intensiv mit dem Food Forest Konzept beschäftigt hatte und wir mit Naveen Joshi einen Bekannten mit einem solchen Garten in Almora hatten, zählte ich eins und eins zusammen und machte einen Film über diesen Garten. Na ja, eigentlich gleich zwei.

The Food Forest Garden of Naveen Joshi in AlmoraFrom left to right: Me, Naveen Joshi's 94 year old mother and Naveen Joshi himself

Kurz darauf machten wir einen Ausflug in das etwa eine Stunde entfernte Dorf Naini Jageshwar, in dem vielleicht bald im Rahmen einer Zusammenarbeit Reis, Kurkuma und Walnüsse für SOS Organics wachsen… Dort fanden wir aus Zufall den noch um einiges strahlenderen (und auch leiseren…) Garten von Lila Devi… ein Food Forest wie er im Buche stehen würde! Darüber machte ich spontan noch einen Film.

View from Naini Jageshwar... reminds me of Machu Picchu ;)Inside the Food Forest Garden of Lila Devi

Gegen Ende formulierte ich noch da Konzept für den „Natural Food Forest“, die Synthese aus unseren Beobachtungen über die aktuellen Entwicklungen in der Landwirtschaft in den Himalayas von Uttarakhand und unseren Visionen von einer nachhaltigen Bewirtschaftung mit Natural Farming und Food Forests. Darüber machte ich auch gleich noch einen Film 🙂 Zu diesem Konzept später mehr in einem gesonderten Post!

Die letzten Wochen bei SOS Organics war ich daher hauptsächlich mit filmen, Filme schneiden, Musik und Bilder für die Filme aussuchen, Filme hochladen und YouTube kennen lernen beschäftigt. Nebenbei habe ich natürlich weiterhin Hanfmilch gemacht, mich zur Meisterin im Pancake machen entwickelt, mit Santosh und Amrita philosophiert, Jiddu Krishnamurti zu meinem Philosophen des Jahres erklärt, den Katzen beim wachsen zugesehen und sie durch tägliches durchknuddeln auch schön dazu angespornt 😉

Ihr könnt meine gesammelten Filmwunderwerke (keine Angst, ich schüre nur unnötige Erwartungen, es sind eher Filmanfänge…) in dem neuen YouTube-Channel von SOS Organics anschauen.

Rückblickend kann ich sagen, dass ich mehr gelernt habe, als ich mir erhofft hatte, wenn auch völlig andere Dinge, als ich erwartet hatte 😀 Es war hart und lustig und bunt und herausfordernd und dynamisch und undurchsichtig und erhellend und durchgeknallt. Es war Leben und Gegenwärtigkeit in seiner besten Form. Und ich bin dankbar, dass genau dieser Ort, diese Menschen und diese Erfahrungen den Beginn meiner Reise markieren, denn einen besseren Weckruf hätte es für mich kaum geben können.

Als ich Mitte September fortging aus Almora um Matze vom Flughafen in Delhi abzuholen, mischten sich ein paar Tränen in mein Lächeln zum Abschied von Amrita und Santosh. Ich wünsche den beiden alles Glück der Welt und hoffe, dass sich unsere Wege nochmal kreuzen werden. Die Katzen zogen wenige Tage nach meiner Abreise zusammen in einen Ashram in Kausani um, wo sie jetzt andere Menschen zum schmunzeln bringen. Ein neuer Anfang für uns alle. Jeden Tag.

Last sunrise for me in Almora

Namaste,

Julia

“Why use up the forests which were centuries in the making and the mines which required ages to lay down, if we can get the equivalent of forest and mineral products in the annual growth of the hemp fields?” H. Ford

Nun, da der Monsun seinem Namen mal wieder alle Ehre macht und es hier mehr oder weniger gemütlich vor sich hin regnet, finde ich auch die Muße, euch etwas öfter zu berichten.

Ich möchte euch heute eine meiner aktuellen Lieblingspflanzen vorstellen! Nun, kennen werdet ihr sie alle… Ich spreche vom Hanf.  Aber ich möchte mich heute mal nicht an die endlose Reihe von Internetseiten und Blogs anschließen, die sich hauptsächlich mit EINEM Nutzen dieses Wunderkrauts beschäftigen. Ich möchte die ungefähr 40.000 anderen Nutzen von Hanf preisen! Aber keine Sorge, ihr findet jetzt hier keine 40.000zeilige Aufzählung. Das geht doch alles eleganter 😉 Als kleinen Einstieg in dieses hoch spannende Thema (Was kann man mit Hanf alles anfangen? Wieso ist Hanf tatsächlich verboten? Was hat Hanf mit den Wäldern und dem Klimawandel zu tun? usw.) könnt ihr euch dieses Filmchen zu Gemüte führen:

Die Geschichte des Hanf, seine Verwendung und seine Kriminalisierung liest sich wie ein gut geschriebener Krimi, nur das alles leider den Tatsachen entspricht. Zum Einen macht es mich wütend, dass diese Multifunktionspflanze, die die Lösung so vieler Probleme in sich trägt, kriminalisiert werden konnte und immer noch wird. Zum Anderen sehe ich aber auch, dass die Verantwortlichen ihre fadenscheinigen Argumente als Tarnung für ihre Wirtschaftsinteressen gegenüber dem öffentlichen Druck und den Statistiken nicht mehr lange halten können. Ihr wisst nicht, wovon ich rede? Dann schaut euch die ausführlichere Doku von ARTE zu dem Thema an: „The Magic Weed – The truth about Cannabis“

Auf den Hanf gekommen bin ich aber eigentlich erst durch einen Besucher, der hier vor ein paar Wochen vorbei schaute und Hanfmilch mitbrachte. Und nein, es war kein Bangh-Lassi, gemacht für die Strände von Goa 😉 Es war weiße, köstlich nussig schmeckende Milch, gemacht aus den Samen des Hanf! Das Rezept dazu passte in einen Satz und daher habe ich gleich am nächsten Tag zum ersten Mal meine eigene Hanfmilch gemacht… war ich stolz! 🙂

Hanf wächst hier wie bei uns der Löwenzahn, praktisch überall. Die Samen bekommt man für 50 Cent das Kilo, also taten sich vor meinen Augen ganze Meere aus köstlicher Milch auf… 😀 Seit diesem Tag ergänze ich hier den Milchmann, der die Milch von den Kühen eines Freundes bringt, und steuere ein paar Liter „handgemolkene“ Milch bei. Die schmeckt nicht nur phantastisch (besser als Soyamilch, Hafermilch, Reismilch und etwa ähnlich göttlich wie Mandelmilch… hmmm) und flockt nicht im heiß geliebten Kaffee, sondern sie ist auch noch der Knaller, wenn’s um die inneren Werte geht!

Und jetzt, da ich euch den Mund so schön wässrig geplappert habe, möchte ich euch noch zeigen, wie man dieses Gebräu-zum-darnieder-knien selbst herstellt! Der Hanf und ich, in Bild und Ton:

Mein Englisch ist zum Haare raufen, ich weiß, konzentriert euch einfach auf die Bilder 😉

Übrigens kann man daraus dann auch Joghurt machen und Käse und Sahne und gebacken hab ich damit hier auch schon. Milch eben 😀

Ich hoffe, ich habe euch ein bisschen neugierig gemacht und ihr versucht selbst mal, Milch mit euren eigenen Händen zu gewinnen. Hanfsamen und noch mindestens 40.000 andere Sachen gibt’s hier.

Hm, jetzt hab ich aber Durst 🙂 Lasst es euch schmecken!

Eure Julia

Endlich Almora!

So ihr Lieben,

jetzt habe ich euch ziemlich lange warten lassen und dabei ist natürlich sooo viel passiert. Ich bin nun inzwischen schon über einen Monat hier in Almora und seit etwa drei Woche bei SOS Organics, meinem Host bis in den Herbst. Um im Hier und Jetzt anzukommen, müssen wir uns also um 3 ½ Wochen zurückversetzen. Holt euch ein Kaltgetränk (oder vielleicht besser zwei…), legt die Füße hoch und los geht’s!

Es war einmal in einer kleinen Stadt namens Almora am Rande des Himalaya, da lebte eine Reisende namens Julia in einem kleinen Hostel neben einem riesigen Baum in den eine riesige Bougainvillea hinein gewachsen war, deren lila Blüten auf den Gehweg regneten. Der Mann, der das Hostel leitete, hieß Mr. Shah und war schon so alt, dass er den Baum gepflanzt haben könnte, aber er hatte immer noch einen scharfen Verstand. Seine Augen waren allerdings nicht mehr sehr gut, so dass seine Schwiegertochter für die Gäste im Hostel das Abendbrot kochte. Leider konnte die Schwiegertochter aber nicht so gut Englisch wie der alte Mr. Shah und so geschah es, dass die Schwiegertochter die Trinkflasche von Julia, die sie um Trinkwasser gebeten hatte, mit Leitungswasser auffüllte. Nun, das klingt nicht ungewöhnlich, in einem Land wie Indien ist es das schon. Julia trank ein paar Schluck, aber das Wasser schmeckte nicht besonders gut und als sie die Flasche gegen das Fenster hielt (denn draußen regnete es und in ihrem Zimmer war das Licht ausgefallen) sah sie, dass sie besser nicht weiter trinken sollte. Doch es war schon zu spät… Und so kam, was kommen musste, und die nächsten paar Tage ernährte sie sich von Kartoffelchips (Immer an die Elektrolyte denken!), Bananen, Cola und Wasser. Doch sie war tapfer und jammerte nur ein bisschen und so war da Schicksal gnädig mit ihr und ließ sie diesen Test bestehen. Und wenn sie nicht wieder krank geworden ist, dann isst und trinkt sie glücklich bis an ihr Lebensende! 🙂

Also auch das habe ich jetzt hinter mir und bin damit nun wirklich, physisch und psychisch in Indien angekommen 😉 Nachdem ich mich also die ersten Tage mehr in meinem Zimmer als außerhalb aufgehalten habe, ist mir irgendwann die Decke auf den Kopf gefallen und ich habe Santosh und Amrita, meine zukünftigen Gast- und Arbeitgeber angeschrieben. Ich hatte ihre Stiftung mit der Manufaktur für Naturkosmetik und Bio-Lebensmittel mit großem Permakulturgarten rundrum über www.workaway.info gefunden und sie irgendwann Anfang des Jahres gefragt, ob ich ein paar Monate bei ihnen arbeiten könnte. Wir einigten uns auf Mitte Mai als meinen Arbeitsbeginn und alles war fein. Drei Tage vor meinem (ersten) Abflugtermin schrieb Santosh mir dann, dass ich doch bitte erst Mitte Juni kommen soll, sie würden gerade Amritas Haus bauen und hätten zu viel um die Ohren, um noch Nerven für mich zu haben. Ungefähr 7 Stunden später verstauchte ich mir den Fuß und ungefähr 48 Stunden später verschob ich meinen Flug um zwei Wochen. Hat das Schicksal doch mal wieder hübsch geklärt und ich hab gleich noch Bandagen anlegen und mir selbst Spritzen geben gelernt… wer weiß, wozu das noch gut ist 😉

Nun gut, ich schrieb sie also an (obwohl es noch nicht Mitte Juni war) und sie luden mit zum Mittagessen ein. Damit begann meine erste Reise – oder sollte ich Odyssey sagen?! – nach Chitai, einem wirklich kleinen Dorf, etwa 10 km von Almora entfernt, wo SOS Organics (www.sosorganics.com) zu finden ist. Santosh hatte geschrieben, dass ich auch zu ihnen laufen könnte und da es nicht zu heiß war, entschloss ich mich dazu zu laufen. Mehrere auf der Straße Gefragte zeigten in die selbe Richtung (inzwischen weiß ich, dass man sich hier auch darauf nicht immer verlassen kann…) und ich lief los. Nach einer Stunde zu Fuß und nachdem ich die Häuser von Almora hinter mir gelassen hatte, war die Strecke auch wirklich schön, ich fand verlassene Tempel und wurde von jeder Menge Affen beäugt.

Empty temples next to the streets...... at least somebody is watching!

Als sich zwei Straßen teilten fragte ich den erstbesten Kunden einer Mottorad-werkstatt, der aussah, als könnte er Englisch, nach der Richtung. Als es hörte, ich wolle nach Chitai zu Fuß laufen, machte er große Augen und meinte, ich solle doch lieber noch etwas weiter zu einem Taxistand laufen und Taxi fahren. Ich dankte und lief erstmal weiter, bis ein Mann mit seinem Motorrad an mir vorbeifuhr, der mich schon ein paar mal überholt hatte. Er fragte, ob er mich irgendwohin mitnehmen konnte und ich sagte ja, zum Taxistand. Leider konnte dieser nette Mann kaum Englisch und als er mich erstmal auf irgendeinen Markt gefahren hatte und ich dann wiederholt „Chitai, Chitai“ gesagt hatte meinte er „Jaaa, aber da brauchst du doch ein Taxi“. Daraufhin fuhr er mich den kompletten Weg, den ich aus der Stadt raus gelaufen war, wieder zurück in die Stadt hinein und ich wusste nicht, ob ich weinen oder lachen soll. Wieder im Gewimmel angekommen sitzt plötzlich der Mann, den ich bei der Motorradwerkstatt nach dem Weg gefragt hatte, auf dem Bike nebenan und fragt mich, was passiert ist, wieso ich jetzt hier wäre? Ich lache und sage, lange Geschichte… Als ich meinem Kurier dann verständlich gemacht hatte, dass ich eigentlich nicht mit dem Taxi fahren wollte, viel im plötzlich ein, dass er mich auch nach Chitai bringen kann (wah, wir kommen der Sache näher!!), wenn ich ihm das Benzin dafür zahle (…oder auch nicht!). Na super, da hätte ich auch ein Taxi nehmen können, entgegnete ich ihm. Ich stand ziemlich angenervt über diese völlig misslungene Kommunikation nach zwei Stunden wieder am Ausgangspunkt meiner Wanderung! Aber man soll den Tag ja nicht vor dem Abend verfluchen 😉

Denn der nette Mann von der Motorradwerkstatt hatte mir übersetzen geholfen, das Trauerspiel mitbekommen und meinte, er muss auch nach Chitai und kann mich mitnehmen, natürlich ohne Benzingeld. Gesagt, getan und als wir uns dann auf der Fahrt unterhalten (denn es war wirklich WEIT!) stellt sich heraus, dass der gute Mann Dokumentarfilmer in Delhi ist, seinen Job aber in einem Monat an den Nagel hängt (zu stressig und Delhi macht krank) um nach Hause nach Almora zu ziehen. Hier will er dann einen ayurvedischen Kräuterschaugarten anzulegen um das Wissen seines Großvaters zu erhalten, der ein ayurvedischer Arzt ist. Außerdem will er sich mittels Permakultur selbst versorgen, Lehmhäuser bauen und was ihm sonst noch alles einfällt… na da hatten sich aber zwei gefunden!! Ich wurde gleich vom Motorradsitz weg engagiert, um ihm bei der Gestaltung seines Gartens zu helfen und er wollte schon immer mal SOS Organics besuchen! Also tauschten wir erstmal Telefonnummern aus und machten uns im richtigen Ort angekommen an den steilen Abstieg vom wunscherfüllenden Hindu-Tempel in Chitai hinab ins Dorf zur Manufaktur. Nach drei Stunden und lange nach dem Mittagessen war ich endlich am Ziel!!

Santosh und Amrita begrüßten uns und zeigten Pankaj (meinem Motorradlift) und mir erstmal die Kosmetikmanufaktur und die Lebensmittelabteilung, wo z.B. Rohrzucker, Hirse, Amarant, Brauner Reis, Tee- und Gewürzmischungen getrocknet, gemischt und verpackt werden. Alle Lebensmittel werden in hier in den Bergen von Kleinbauern ohne chemische Behandlung angebaut und dann in der Manufaktur von ca. 30 Frauen und Männern aus dem Dorf verarbeitet und verpackt. Das Ziel dabei ist es, denn jungen Menschen eine sinnvolle Arbeit in ihren Dörfern zu ermöglichen, den Bauern eine lohnende Einnahmequelle und dabei allen einen Grund zu bleiben und eine lebenswerte Umwelt zu geben. Wie nebenbei entsteht tolle Kosmetik (ich wurde als Versuchskaninchen für neue Ideen auserkoren und freue mir ein Loch in den Bauch darüber!) und superleckeres Essen!

Santosh und Amrita empfingen mich herzlich und wir unterhielten uns bis spät in den Abend. Später gestanden sie mir, dass sie total geschockt waren, da ich ihre erste Volontärin gewesen sei, die einigermaßen normal ist! 😀 Als ein heftiges Gewitter losging, blieb ich auch gleich da, obwohl mein ganzes Gepäck noch im Hostel in Almora lag. Am übernächsten Tag zog ich dann mit meinem Gepäck aus Almora wieder los in Richtung Chitai und brauchte diesmal wieder drei Stunden… dieser Ort hatte es echt in sich! Denn mit Gepäck wollte ich nicht unbedingt 10 km laufen und fragte deswegen beim Taxistand in Almora nach Chitai. Der Taxifahrer sah aber nur das Schild auf meiner Stirn, auf dem „Tourist“ stand und fuhr mich wie alle anderen Touristen nach Kasar Devi (noch so ein Dorf hier…), wo es die meisten Gästehäuser gibt und alle Touristen zum kiffen hinkommen. Als er mich raus ließ und ich erkannte, dass ich im falschen Ort war, fragte ich im nächsten Shop nach. Chitai?! Das ist 10 km in die andere Richtung… NEEEEIIIIINN!! Also setzte ich mich in die sengende Sonne und wartete auf ein Taxi in die andere Richtung… Ich wartete und wartete, Althippies mit blonden Dreads bis zum Boden schritten vorbei wie eine Fata Morgana, lange nichts, eine offensichtlich deutsche Familie, die offensichtlich seit Jahren hier lebt, teilte mir auf Englisch mit, dass hier keine Taxis fahren und ich lieber laufen soll, Grundschulkinder schmissen ihr Ränzen vor die Haustür und umschlichen mich staunend und die ganze Zeit saß ich vor diesem Haus…

Try to concentrate on this house for one hour!

Nach einer Stunde, beschloss ich, zu laufen. Zwei Minuten später hielt ein Taxi neben mir und nahm mich mit. Verrückte Welt!

Die erste Zeit konnte ich noch nicht in Chitai übernachten, da das Gästezimmer mit einem Freund von Santosh und Amrita aus Delhi belegt war. Also nutzte ich mal wieder Couchsurfing und fand Kamakoty und seine Frau, die zwar gerade auf einer einjährigen Weltreise waren, mir aber ihre Meditationshütte neben ihrem Haus in Papersali (noch so ein Dorf hier…) zur Verfügung stellten. Das war praktischerweise auch nur 10 min zu Fuß von Amritas Zwischenwohnung entfernt, die sie hatte, bis ihr Haus fertig gebaut war. Und da war ich nun, in einem wunderschönen Häuschen mit lauter Heiligenbildern und tollen Büchern in einem wunderschönen Garten mit lauter duftenden Blumen und herumtollenden Affen und einer wunderschönen Aussicht auf die Bäume in der Nähe und die Hänge in der Ferne.

The Meditation Hut in the forest garden from outside...... and inside.

View to the ouside...

... and inside.

Ich blieb eine Woche dort wohnen und fuhr ab da jeden morgen mit Amrita auf Arbeit zum Projekt in Chitai. Abends setzten wir uns fast jeden Feierabend auf die Dachterrasse von Tara’s Shop in Papersali, tranken guten Bohnenkaffee, sahen dem Sonnenuntergang über den Hügeln zu, genossen den Streuselkuchen von Elfi, einem Hippiemädchen von 50 Jahren aus Deutschland und unterhielten uns über Gott und Indien 🙂

Nun aber mal zu den harten Fakten 😀 Seit dem 10. Juni arbeite ich nun bei SOS Organics und bisher habe ich…

  • … eine Informationsammlung zu der Seed Balls Methode von Masanobu Fukuoka zusammengestellt. Seed Balls selber gemacht, d.h. eine Samenmischung aus Bockshornklee, Okra, Sorghum, Johanniskraut und Bohnen zusammengestellt, mit Lehm und Erde rumgematscht, dutzende Kugeln gekullert und mich mit dem Restlehm noch künstlerisch verausgabt (dazu später mehr unter der Rubrik „Permakultur“!). Powerpointpräsentationen zu der Idee, Geschichte und Methode der Seed Balls sowie zur Samengewinnung und Mischkulturennutzung allgemein erstellt.
  • … den Garten mit all seinen Terrassen, Häusern, Wassertanks, Fischteichen, Wegen, Bäumen und Sträuchern per Hand und digital kartiert und begonnen, ein Permakulturkonzept für den Garten zu entwerfen.
  • … mich intensiv mit der Permakulturidee des Food Forest beschäftigt, dazu bestimmt zehn Filme gesehen, Informationen zusammenge- und DVDs erstellt und Santosh von der Idee angefixt. Wegen dieser Idee haben wir uns auch schon mit einigen Agrar- und Gartenspeziefreunden von Santosh hier in der Gegend getroffen und wollen vielleicht ein Projekt zusammen auf die Beine stellen. Dazu, was ein Food Forest sein soll und sein kann, später mehr unter „Permakultur“ 😉
  • … eine kleine Baumschule mit Stecklingen von Lavendel, Rosmarin, Granatapfel, Citrus, Zitronenverbene und Bambus angelegt sowie Aprikosen, Kürbisse, Gurken und Avocados „gesät“ (Avocados säen ist ein schräges Bild…).
  • … verschiedene Pflanzengilden zusammengestellt und gepflanzt oder gesät.
  • … Maulbeerbäume geschnitten und Citrus-, Amla- und Avocadobäumchen, Tomaten, Auberginen, Rosmarin, Kilmorahecken, Kürbisse, Clematis (also auch mal nicht essbare Sachen zwischendurch 😉 ) und was weiß ich nicht noch alles gepflanzt.
  • … eine Wasserlandschaft gestaltet und zu ziemlich vielen Gartenecken meinen Gestaltungssenf  dazu gegeben.
  • … Amritas Haus mit fertig gestellt und eingeweiht, ihren Geburtstag gefeiert, Sprossen gezogen, Kekse gebacken, lecker gekocht, Katzenbabys bestaunt, die Hunde und Katzen geärgert (nur um sie nachher wieder durch Kuscheln zu versöhnen…), Motorrad gefahren (auf dem Rücksitz ihr Lieben, ich bin ja nicht lebensmüde…), meditiert, neue Pflanzen kennen gelernt, viele Doku’s geschaut, ungefähr 15 Bücher auf meinen „zu-lesen-Stapel“ gelegt, über das Internet hier geflucht, über Verschwörungstheorien diskutiert, Regenwassergewinnung erforscht, abgefahrene Käfer beobachtet, einmal umgezogen, Amritas tolle Kosmetik benutzt, früh aufgestanden, früh ins Bett gegangen außer Sonntags, da gibt’s Bier und Amrita und ich quatschen und lachen, während Santosh nach einem Glas k.o. ist.

So in etwa 😉 Wir drei bilden hier oben sowas wie eine WG, eine abgefahrene, bodenständige, vielfältige, herzliche, lustige, kritische, ironische, weitgereiste und ortstreue, spirituelle und sehr weltliche, alte und junge WG. Fetzt! Ich bin mal wieder das Küken, während Santosh mit 60 der Älteste ist, aber meistens (zumindest wenn kein Bier im Spiel ist…) mehr Energie hat als Amrita mit ihren 42 und ich zusammen. Es sprüht vor Ideen und Tatendrang, während sie das Soziale regelt und die beiden sich so trotz ihrer Unterschiedlichkeit ziemlich gut ergänzen.

Zuerst habe ich in dem Häuschen von Santosh mitten im Garten mit eigenen Seechen vor der Tür geschlafen. Letzten Sonntag bin ich in das größere Haus mit eigener Küche und Bad umgezogen und gewöhne mich noch an soviel umbauten Raum um mich 😉 Dafür sind die Katzen jetzt näher bei mir und das ist die beste Feierabendunterhaltung… verdammtes Kindchenschema! 😀

So im Groben war’s das bis hierhin erstmal und ich bin sicher, ich habe euch gänzlich erschlagen und ihr habt beide Kaltgetränke gebraucht! Über manche der Sachen, die ich bearbeite findet ihr bald noch mehr in der Rubrik Permakultur. Über alles, was sonst noch so hier auf „Unserer kleinen Farm“ passiert, lest ihr weiterhin hier.

Danke für’s Durchhalten und…

May the force... ehm forest be with you! ;)

Namaste,

Eure Julia

Hallo Zusammen,

hier wiedermal eine kleine Zusammenfassung der letzten Tage. In Zukunft werd ich wohl etwas weniger schreiben, den inzwischen habe ich Almora erreicht, den Ort meines Lernens, Wirkens und Werdens für die nächsten paar Wochen. Genauer gesagt werde ich hier sein: www.sosorganics.com, aber dazu später mehr. Nun erst nochmal ein Rückblick…

Hinter mir liegt eine ereignisreiche und doch total entspannte Woche! Ich habe nochmal eine Woche Tourist gespielt, bevor es mit dem Ernst der Reise losgeht 😉 Nachdem ich mit meinem Couchsurfing-Host in Rishikesh nicht richtig warm geworden bin, bin ich zurück nach Haridwar und hab mich für eine Nacht bei meinem Freund Gaurav bzw. bei seinen Freunden einquartiert. Ich hatte beschlossen, noch ein paar Tage nach Nainital zu fahren, was auf dem Weg nach Almora liegt und mit einem grünen See (der Sage nach dem Auge einer grünäugigen Göttin…) und viel dunkelgrünem Wald glänzt. Vor meiner Abreise aus Rishiskesh habe ich mich aber noch mit Amit zum Mittagessen getroffen, der 10 Jahre in der Medienbranche gearbeitet hat, inzwischen aber eine NGO in Rishikesh leitet, die unter anderem Jugendlichen zu einer Ausbildung verhilft und die Aufforstung in Indien vorantreiben will (www.plantatreeindia.org). Hier kann er sein Organisationstalent erfolgreich anwenden und fühlt sich dabei noch erfüllter, als in seinem alten Job.

Danach fuhr ich in eine Rikshaw gequetscht (was für ein Oberschenkeltraining…) zurück nach Haridwar, wo ich Gaurav schon Bescheid gesagt hatte, dass ich vorbei komme und einen Schlafplatz bräuchte. Er schickte mir gleich einen Abholservice in Form eines anderen Freundes mit Motorrad vorbei, ich bekam Tee auf der Familiencouch und wurde natürlich wieder zum Essen eingeladen. Ich erzählte von meinem frischen Plan, ein paar Tage in Nainital zu bleiben und alle gaben mir Tipps, wann ich welchen Bus nehmen soll und was was kostet. Eine Freund und Nachbar von Gaurav, Pradeep, arbeitet seit einem halben Jahr in Haridwar, hat nicht wirklich Spaß an seinem Job (nicht ungewöhnlich in Indien) und hat sich daher entschlossen, zu kündigen und noch mal zu studieren (ungewöhnlich in Indien). Also machte er spontan eine Woche krank und wir traten am Montag zusammen die zehnstündige Busfahrt nach Nainital an!

Die Fahrt war total schön, wir fuhren durch Mangohaine, Reisfelder, Eukalyptuswälder, Dörfer mit Lehmhäusern, grüne Wiesen aber auch lärmende Städte, in denen uns der alte Mann neben mir immer Eis kaufte, dass die Straßenhändler dann durch die Busfenster reichten. Überall am Straßenrand wuchs natürlich Hanf und den Duft könnt ihr euch vorstellen… 😉 Erst auf den letzten zwei Stunden der Fahrt wurde die Straße steiler und wir stiegen knappe 1.600 Höhenmeter auf. Die Pflanzen änderten sich, wir fuhren durch Wolken und eine Mischung aus den südamerikanischen Anden, Portugal und eben Indien und Pradeep merkte deutlich, dass er keinen Pulli eingepackt hatte…

Ich hatte mich günstig in der Jugendherberge hoch über der Stadt im Wald einquartiert, Pradeep suchte sich ein günstiges Zimmer im Tal, was schwierig war, denn zur Zeit ist Hochsaison und die Stadt quillt vor indischen Touristen in Form von Familien und frisch Verheirateten fast über. Das Pradeep dabei war, machte die ganze Sache super-entspannt! Wir blieben bis Freitag und machten so ziemlich alles zusammen, was man in diesem beliebten Touriort machen konnte, heißt jede Menge essen, ausgiebig See gucken, Bootfahren (aus Protest in einem kitschig-blauen Plastikschwan), einen Höhlenpark besuchen, den traurigen Zoo besuchen (nie wieder!), Leute gucken, jede Menge Kaffee trinken und den Himalaya bei Sonnenaufgang bestaunen. Shoppen und Horse riding haben wir nicht gemacht, das wäre dann zu viel des Touristentums gewesen… 😉 Außerdem gehört es sich hier irgendwie so, dass die Männer alles bezahlen und so bezahlte Pradeep etwa 2/3 von allem, was wir zusammen machten! Ich musste ihn echt überreden, auch mal eine Rechnung begleichen zu dürfen! Außerdem passte er immer auf, dass mich kein Auto von hinten (oder vorn) umfährt, keiner beim Handeln über den Tisch zieht und ich alle seine Lieblingsessen zu kosten bekam. Dafür bekam er mit, wie es ist, die ganze Zeit als eine Art Attraktion durch die Straßen zu wandeln, angestarrt zu werden und ständig Taxis, Ohrringe, Bootsfahrten oder Kaffee angeboten zu bekommen. Fand er auch mal ganz spannend 😀 So lernte ich auch meine ersten Worte Hindi, denn als wir zum Xten Mal angesprochen wurden, ob wir nicht Bootfahren wollen, brachte er mir „ho gya“ bei, was ungefähr „haben wir schon gemacht“ heißt und eine dreiste, aber funktionierende Lüge war 😉 Nebenbei haben wir unglaublich viel über die Kultur des jeweilig anderen gelernt, uns viel über Filme und unsere verschiedenen Bildungssysteme unterhalten und Pradeep brachte mir auch noch mehr nützliche Worte in Hindi bei! 🙂

Da es von meinem Youth Hostel 10 Minuten zu Fuß entfernt einen Ausguck in Richtung Himalaya gab, hatten wir uns vorgenommen, uns früh dort zu treffen und den Sonnenaufgang über dem Himalaya zu sehen. Zweimal kamen uns dabei aber heftige Gewitterstürme mit Regengüsse und Nebel in den frühen Morgenstunden dazwischen. Den ersten davon überdauerte ich unter einem kleinen, tapferen Kioskdach, während kleine Schlammlawienen die Berge runter rollten. Als ich wieder zum Hostel zurück kam, floss es auß meinem Zimmer heraus (erst dachte ich mit Schrecken, weil ich das Fenster aufgelassen hatte…), aber das Wasser kam irgendwie aus dem Leitungen im Bad ins Zimmer gedrückt und beim Zimmer war zum Bach geworden… Was für ein Anblick, ein fließendes Zimmer 🙂 Nach dem Gewitterguss beim zweiten Versuch waren die Berge bis Mittag in dicken Nebel gehüllt. Beim dritten Mal haben wir es geschafft! Ich war aber schon vor Pradeep da und konnte für einige Minuten die Stille gespickt mit Vogelgezwitscher und den nahen Tempelgesängen einiger älterer Herren beim Ausblick auf die Schneekuppen des Himalaya genießen. Dann kamen viele lärmende Touristen auch zum gucken und Pradeep und vorbei wars mit der Ruhe. Aber wir hatten Glück und sahen sogar den Nanda Devi, den höchsten Berg Indiens in der Morgensonne glänzen. Obwohl diese höchsten Berge über 120 km entfernt waren, war es schon ziemlich beeindruckend, wie imposant das Dach der Welt noch aus dieser Entfernung wirkt!

Nach diesem erhebenden Erlebnis schlurften wir durch die immer voller werdenden Straßen (das Wochenende stand vor der Tür) und beobachteten die Vorbereitungen für den Besuch der Staatspräsidentin am Sonntag. Für diesem Zweck wurden Hundertschaften Polizei und Militär rangefahren, alle Straße notdürftig repariert und aller Müll beseitigt… Höchste Zeit, weiterzuziehen!

Am Freitag verabschiedeten wir uns also von dieser grünen Stadt voll indischer Touristen, Pradeep fuhr zurück nach Haridwar und ich heizte in einem shared Taxi durch Schluchten und über wegbrechende Straßen, vorbei an Granatäpfelsträuchern und Hanf in Richtung Almora. Dort angekommen fragte ich mich zum Hotel Bansal durch, landete aber im Hotel Kailas, das von dem 93jährigen (!) Mr. Shah geleitet wird. Jetzt sitze ich vor meinem museumsreifen Zimmer, das sicher in den 60ern schon genauso aussah, beobachte die Schmetterlinge und Affen in den Bäumen und warte darauf, dass der Strom wieder kommt… ein fauler Sonntag also 😉

Bald werde ich hoffentlich mit meiner Arbeit hier in Almora anfangen können, wovon ich euch natürlich wieder berichten werde!

Liebste Grüße und bis bald,

Julia

Nainital's lake at good weather, view from my Youth Hostel terraceNainital's mountains at bad weather

My flooded room after this thunderstorm...Foggy morning walks included...

... just to appreciate even more the bright days we had!

Exploring the Tiger Caves... what a thrill ;)

Listen to the singing mosque while sipping coffee...... and embracing what lies ahead... the Great Himalayan Mountains! :)

Ihr Lieben,

bevor mich die nächste Woche wieder einholt, möchte ich euch noch schnell – aber ausführlich – von den Ereignissen der gerade vergangenen Woche berichten.

Nachdem ich Delhi in der größten Mittagshitze auf Wiedersehen gesagt hatte, ruckelte ich in einem mindestens 25° C kälteren Bus (nie wieder AC = Air Condition!) in Richtung Norden, nach Haridwar. Am Wegesrand wuchs – ich konnte es erst nach mehrmaligem Hinsehen wirklich glauben – Hanf. Das stimmte mich schon etwas auf das Kommende ein… In Indien dürfen nur die heiligen Männer, Saddhus genannt, Haschisch konsumieren und von denen gibt es in Haridwar jede Menge. Haridwar ist die zweitheiligste Stadt für Hindus in Indien (lange Geschichte, Waseem hat sie mir schon erzählt…) und, na klar, die heilige Ganga, der Ganges fließt hier durch. Es gibt unzählige Ashrams, Tempel, Schreine und eben Saddhus, unglaublich viele Hotels und Restaurants und Läden, in denen allerhand spiritueller Kommerzialismus betreiben wird. Nach Hardiwar kommen viele indische Touristen, gerade jetzt in der Zeit der Sommerferien, waschen sich im Ganges von ihren Sünden rein, opfern den Göttern und dem Fluss kleine Gaben (und ihre Abfälle), „taufen“ ihre Kinder (wobei den Kindern vorher die Haare abrasiert werden und die Haare dann dem Fluss geschenkt werden), genießen das etwas kühlere Klima oder finden in den Ashrams ihren Guru oder sich selbst. Auch hier hatte ich mir wieder einen Couchsurfingplatz ausgeguckt, nur diesmal war es etwas spannender.

Ich hatte den Schlafplatz bei Deepak vielleicht eine Woche vorher klar gemacht. Als ich ihm dann vom Bus aus meine Ankunftszeit schrieb, konnte er sich erstmal nicht an mich erinnern, schrieb mir dann, dass er betrunken ist, dann ließ er mich zwei  Stunden im Stadtzentrum warten und meinte dann, ich könne nicht bei ihm schlafen, aber bei einem Freund, den wir gleich noch abholen. So ziemlich alle vom Lonely Planet getrimmten Alarmglocken leuteten! Aber… alles halb so wild! Sein Freund Gaurav, war so ein Herz von einem Menschen, mit dem ich mich auf Anhieb verstand, sodass ich mich gleich entspannte. Aber auch er hatte keinen Platz also wurde ein dritter Freund angerufen und wir fuhren nun inzwischen spät in der Nacht in ein ruhiges Wohnviertel. Und so fand ich mich plötzlich in einem Haus einer Großfamilie wieder, in der der Freund von Deepak mit seiner Frau und zwei Kindern in einem Zimmer schlief, Oma und Opa im Zimmer nebenan, Bruder und Frau eine Etage drunter und Nichte und Neffe im Wohnzimmer. Sowas wie eine Familien-WG. Für mich war das zweite große Bett im Wohnzimmer vorgesehen. Wow. Nachdem es für die Gäste noch Tee gab und die halbe Nachbarschaft noch „zufällig“ vorbeigeschaut kam um den (weißen) Besuch – mich – zu  begutachten, legte ich mich schlafen. Die Oma des Hauses legte sich – wohl als seelischer Beistand in diesem noch fremden Haus – gleich dazu.

In der Ayurveda-Lehre (und sicher auch in anderen Lehren Indiens) heißt es: Der Gast ist Gott! Und so fühlte ich mich auch 😉 Nagut, nicht gerade wie Gott, aber bestens umsorgt und unterhalten. Ich bekam immer Tee, die quirllige Hausfrau (28, seit 7 Jahren verheiratet) machte mir immer hausgemachtes Frühstück und Abendbrot, lackierte mir aus Langeweile die Fußnägel (jetzt fühle ich mich gesellschaftlich als Frau akzeptiert 😉 ) und fragte mich allerhand aus. Nahezu unfassbar war die Tatsache, dass ich in meinem Alter noch nicht verheiratet bin und kein Hindi spreche…

The Ganga and its people.Den Montag schlenderte ich dann durch Haridwar,  sah die Saddhus unter den Bäumen sitzen und versuchte die Ashrams von den normalen Häusern zu unterscheiden, ist ja alles in Hindi… Dann setzte ich mich zur Abkühlung an den Ganges, hielt die Füße ins kalte, schnell fließende Wasser, beobachtete die badenden, taufenden, preisenden Menschen, wurde ausgiebig beobachtet und schrieb erstmal drei Stunden Tagebuch dabei. Wenn man die hunderten Schals an jedem Pfosten im Ganges sieht, bekommt man eine Vorstellung davon, wie viele Menschen hier täglich hinkommen, um in ihrem heiligen Ganga zu baden. Das ist aber alles noch nichts gegen das Kumbh Mela Festival, das hier alle 12 Jahre gefeiert wird. Dabei kommen über 12 Millionen (nein, ich habe mich nicht verschrieben… 12.000.000) Menschen und viele Saddhus in Haridwar zusammen um gemeinsam im Ganges baden. Das nenn ich mal ne Pool-Party…

Abends kamen Deepak und Gaurav wieder vorbei und wir besuchten den Guru (spirituellen Lehrer) von Gaurav. Ich hatte nämlich von meinem Studium und meinen Gartenvorlieben erzählt und Gaurav meinte daher, ich solle seinem Guru, der gerade seinen eigenen Ashram ausbaut, ein paar Gartentipps geben. Guru Jee war ein sehr interessanter Mann Ende Dreißig, in edlen Stoffen, mit langen wallenden Locken und zwei Handys! Nachdem er etwas irritiert war, dass ich keine Arbeitsproben dabei hatte (ääähhh) gingen wir einfach raus in den Hof und zum Ashram-eigenen Zugang zum Ganges und ich sponn ein paar Ideen von Kletterpflanzen, Lotusbecken, Blumentöpfen und Bäumen. Drinnen blätterten wir noch einige Kataloge durch, Guru Jee versicherte mir, ich könne immer bei ihm im Ashram übernachten und den Garten mitgestalten und dann stiegen wir vollends in die höhere Philosophie ein! Was ist Gott? Was ist der Mensch? Wer war Jesus und was hat er vorher gemacht? Woher kommt OM und AMEN? Sind Religionen oder Spiritualismus wichtiger? Was ist der Tod? Wie fühlen sich Astralreisen an? Wie geht luzides Träumen im Wachzustand? Wie viele Atemzüge braucht ein Mensch pro Tag und wie viel länger könnte er leben, wenn er weniger davon pro Tag brauchen würde? Mir hat Guru Jee geraten, mehr Pranayama-Yoga bzw. Meditation zu üben und mich auf die Suche (oder das Finden?!) des unsichtbaren Ashrams in den Bergen des Himalayas zu machen, den alle Weisen der Welt einmal besucht haben, bevor sie wirklich weise waren… Außerdem haben wir noch Handynummern, Internetlinks und Facebook-Accounts ausgetauscht. Er meinte, er ist ab jetzt mein Vater in Indien, ich bin nicht allein in diesem Land und kann ihn bei Problemen immer anrufen oder mich einfach nur nach dem Fortschritt des Gartens erkundigen. Natürlich hat er mich auch gesegnet. Verrückt-schöne Welt! 🙂

Am nächsten Tag zeichnete ich für Guru Jee noch einen Mini-Gartenplan mit all den Sachen, die wir am Vorabend besprochen hatten und die Kinder meiner Gastfamilie kramten ihre Buntstifte aus den für die Sommerferien verramschten Rucksäcken und malten fleißig mit aus. Weil Deepak mich abholen wollte, aber mal wieder auf sich warten ließ, las ich noch in den Schulbüchern der Kinder und erfuhr so mehr über die Geschichte Indiens und Malen nach Zahlen. Dann machte ich mich mit einer shared Rikshaw, also einem geteilten Taxi auf den Weg in die nächste Stadt. ½ Stunden für 50 Cent, nicht schlecht, da konnte ich die Tatsache, dass der Fahrer bei 35 °C in ein Gefährt für 7 Leute 12 reinwinkte schon verkrafte. Es gibt ja noch Fahrtwind 😉

In Rishikesh, meinem nächsten Ziel, angekommen folgte ich zum ersten Mal einem Lonely Planet Hinweis und checkte auf gut Glück im Bhandani Swiss Cottage am Berg über der Stadt ein. Nach 1 ½ Wochen permanenter Anwesenheit von Menschen im selben Zimmer brauchte ich mal einen Platz für mich – Privatsphäre ist hier der absolute Luxus! Abendessen im Hostelcafé, Internet und Duschen machten diesen Luxus perfekt.

Am Mittwoch habe ich mich erst nach der Mittagshitze nach draußen bequemen können und erkundete einen Teil der Stadt zu Fuß. Rishikesh liegt schon sichtbar in den Bergen des Himalaya und ist die heiligste Stadt Indiens… für Touristen! 😀 Hier findet der suchende Nicht-Inder alles, was sein spirituelles oder alternatives oder sonstwie interessiertes Herz begehrt. Reiki, Yoga, Tempel, Tantra, Ashrams, Massagen, Internetcafés, Gurus, Pseudo-Gurus, Saddhus, Pseudo-Saddhus und eine deutsche Bäckerei. Am diesem ersten Tag bin ich über die erste der beiden Fußgängerbrücken in den mehr indischen Teil der Stadt gewandert, mit Ashrams so groß wie Dörfern, ausgedehnten Ghats (also den Badestellen im Ganges), Kühen an schönen Stränden und – ich konnte es zuerst kaum glauben – menschenleerer Natur! Von niemandem außer ein paar Affen beobachtet schlenderte ich durch den an die Stadt angrenzenden Wald und dann durch die ruhigen, grünen Straßen des Stadtteils, in denen weise Männer kleine Hütten mit große Gärten bewohnten, in denen Mangobäume und Hanf wuchsen. Auch eine interessante Vorstellung vom Paradies 😉 Abends setzt ich mich dann in ein Restaurant mit Blick auf den Fluss und beobachtete das all abendliche Ritual, unter laut-schönen Gesängen aus allen Tempeln kleine Schiffchen aus Blättern, gefüllt mit Blüten, Räucherstäbchen und brennenden Kerzen dem Fluss zu übergeben. Dazu ein eiskalter Zitronen-Minz-Saft… ich wiederhole mich aber… Luxus!

Auf dem Rückweg brach dann ein imposanter und heftiger Gewitterregensturm los und der Strom war für die nächsten zwei Tage weg. Das war’s dann erstmal mit dem Ventilator, dem Schlaf und dem Luxus 😉 Ansonsten gibt es in Rishikesh noch das Touristenviertel, wo es dann nicht-schmeckendes Continental Food gibt und allerhand spirituell wandelnde Westler, etwas befremdlich, vielleicht bin ich aber auch einfach nur überfordert 😉

Some impressions from Haridwar and Rishikesh

Ich habe die letzten drei Nächte allein in einem Mini-Yoga-Ashram (auch Couchsurfing…) geschlafen und bin deswegen kurzzeitig vereinsamt… Also hab ich beschlossen, kuerzer als geplant hier zu bleiben und breche morgen weiter Richtung Osten und weiter hinauf in die Berge auf in Richtung Nainital.

Ich werde euch dann wieder berichten, wenn wieder etwas Spannendes passiert.. also immer mal wieder 😉 Demnächst beginnt ja auch mein Volontariat bei SOS Organic in Almora und darauf freue ich mich schon besonders!

Habt einen schoenen Sonntag, gehabt euch wohl und liebe Gruesse,

Namaste,

Julia

So ihr Lieben,

1 ½ Wochen können ja sowas von lang sein, besonders wenn es die ersten Wochen in einem so vielfältig-verschiedenen Land wie Indien sind! Ich versuche mich kurz zu fassen, es wird nicht klappen, ich weiß…

Der Flug in dem indisch-duftenden, mit wechselnder Lounge-Beleuchtung recht bunten Flugzeug stimmte mich schonmal gut auf den kommenden Wandel ein. In Delhi angekommen vielen mir erstmal die Dinge wieder ins Auge, die ich seit meinem letzten Indienbesuch (erfolgreich) vergessen hatte: Überall Menschen! Meistens Männer. Mein erster Eindruck bei der Fahrt durch die 45 Grad heißen Straßen war „nein, das ist kein Nebel, das ist Smog.“ Braungrauer Smog. Und die Luft schmeckte nach Metall… Später erfuhr ich aber, dass das eher Staub als Smog war und alle Busse und alle Rikshaws (also geschätzt 80 % aller Fahrzeuge überhaupt…) seit ein paar Jahren per Gesetz mit Gas betrieben werden müssen. Soviel zum Thema Vorurteil… Wie war es wohl vorher?

Für die ersten zwei Nächte hatte ich mir ein Hostelbett reserviert, um nach dem Nachtflug erstmal auszuschlafen und ein bisschen anzukommen. Das Mystique Moments Hostel war eine umgebaute Arztpraxis des ehemaligen Allgemeinarztes Manu, der sich nach einem Monat in seinem Ruhestand dermaßen gelangweilt hatte, dass er seine Praxis kurzerhand zum Hostel umbaute. Frühstück gab’s im Wohnzimmer der Familie, während der Opa der Familie nebenan Mantras aus dem Radio mitbrummte.

Nach der ersten durchwachten Nacht (denn auch bei 37 Grad schläft es sich schlecht) und dem ersten faulen Tag (ich wollte mich nicht so recht vom Ventilator entfernen…) habe ich mich letzten Mittwoch endlich raus und unter all die Menschen getraut und habe mich mit Waseem, der mich bei Couchsurfing ( www.couchsurfing.org ) angeschrieben hatte, vor dem Nationalmuseum von Indien getroffen. Im Nationalmuseum wird die über 5.000jährige Geschichte Indiens anhand von Ausgrabungsstücken und wieder gefundenen Siedlungen erklärt und hunderte Bilder aus der Moghulzeit lassen diese reiche und alte Kultur farbenfroh und vorstellbar werden. Waseem war dabei der beste Begleiter, den man sich wünschen konnte! Er lernt seit 1 ½ Jahren für die Aufnahmeprüfungen für den öffentlichen Dienst in Indien und hat daher Geschichte, Philosophie, Soziologie und Geographie Indiens in sich aufgesogen. Er kannte hundertmal mehr Fakten und Geschichten, als auf den kleinen Schildchen neben den Exponaten standen und füllte mein von der Hitze benebeltes Hirn mit 1001 Geschichten und Anekdoten aus der indischen Sagenwelt. Es hätte kaum einen besseren Start geben können! Er ließ es sich auch nicht nehmen, mich persönlich und sicher bei meinem Couchsurfing-Host für die nächsten drei Nächte – Swarnab – abzuliefern, dabei meinen Rucksack durch die halbe Stadt zu schleppen und mir (!) zwischendurch Eis zu kaufen.

Empty streets on the early morning walk in Delhi with SwarnabSwarnab lebt mit seinem Bruder in einer Einraumwohnung und meine Matratze passte gerade noch vor das Bett der beiden. Sein Bruder hat eine Freundin in Deutschland und Swarnab mehrere Jahre in Neuseeland gelebt, so dass wir viel zu bereden hatten und uns auf Anhieb prima verstanden. Die beiden bekochten mich ständig, wir redeten über die Entwicklung der Welt und den Imperialismus als wildgewordene Hydra, aber auch das Bedürfnis vieler Inder, jetzt auch mal was vom Kuchen abhaben zu wollen. Beide arbeiten im Handel oder der Finanzwelt um Geld zu verdienen und machen das, was ihnen wichtig ist, zum Beispiel soziale Fotoprojekte, in ihrer Freizeit.

Am Freitag musste Swarnab noch arbeiten und ich traf mich daher mit Linda, der Tochter einer Mutter einer Freundin einer Bekannten meiner Mutter (jaaa, genauso war’s!). Linda macht nach dem Abi gerade ein Jahr mit „Weltwärts“ Deutschland, wobei sie in einem sozialen Projekt in einem Stadtteil von Delhi arbeitet. In dem Projekt bekommen Kinder aus ärmeren Vierteln kostenlosen Unterricht, entweder als Nachhilfe oder weil sie aus der öffentlichen Schule rausgeflogen sind. Also fand ich mich mit ungefähr 25 Mädchen zwischen 9 und 15 auf dem Fußboden sitzend in dem einen Klassenraum des Projektes wieder und bekam eine Stunde Englisch-Nachhilfe. Naja, fatal war dabei schon, dass die Lehrerin keinerlei Struktur hatte, selbst nicht Englisch sprechen konnte und Linda sie bei einigen Sätzen an der Tafel korrigieren musste. Lehrer verdienen in Indien nicht viel, so dass der Beruf nicht sehr angesehen geschweige denn gefragt ist und meist von schlecht ausgebildeten, unmotivierten Frauen (das Geld vedienen ja meist die Männer…) ausgeführt wird. Es war schon deprimierend, die himmelschreiende Ungerechtigkeit (denn es gibt natürlich auch Schulen mit motivierten Lehrern für 1.000 Euro pro Monat…) in diesem Bildungssystem mal von unten zu betrachten und die lange Schulzeit zu sehen, in der manche Kinder schlichtweg nichts wirklich lernen.

Am Samstag bin ich dann mit Swarnab zu einem Morgenspaziergang aufgebrochen, der länger und schöner fast nicht hätte sein können… Swarnab meinte, früh morgens (wir starteten 6 Uhr früh) ist Delhi eine völlig andere Stadt und er hatte Recht! Die Straßen, die Metro, die Läden – alles ist leer! Die Luft ist kühl, frisch und angenehm, wir hörten Vogelgezwitscher und … sonst nichts! Nachdem wir in der leeren Metro über die leeren Straßen zum leeren Parlamentsgebäude und dem leeren Regierungssitz geschlendert waren, ohne uns umzusehen über die Straßen gehen und uns dabei noch unterhalten konnten, setzten wir uns in den, na… leeren Park zwischen Regierungsgebäuden und dem Gate of India und sahen den Eichhörnchen und Vögeln beim aufwachen zu.

The end of the world at India GateAm Gate angekommen fing der für diesen Tag von einer christlichen Sekte angekündigte Tag des jüngsten Gerichtes an – und zwar sehr greifbar. Der Himmel wurde schwarz, ein Sturm peitschte los und trieb uns den Sand in die Augen und die Menschen (ok, ein paar waren dann schon da…) von den Straßen. Der Sturm entastete Bäume, schmiss Blumentöpfe und Absperrungen um, konnte die Jungs im Park nebenan aber nicht davon abhalten, ihr Kricket-Match fertig zu spielen.

Schlussendlich fing es an zu regnen und wir warteten im Klohäuschen der Nationalgalerie für Moderne Kunst darauf, dass diese aufmacht, uns Frühstück und einen Chai schenkt. Das tat sie dann auch alles gütigerweise und wir bestaunten fast als einzige Gäste die entweder klassisch-indischen, englisch-geprägten, naturalistischen, abstrakten, schlichten, schrillen, bunten, kuriosen und schönen Bilder und Skulpturen der Sammlung. Danach ging es in den wunderschönen Lodi Garden, einen Garten mit den Mausoleen mehrerer Herrscher der Lodi-Dynastie. Der Park war in einer sehr reichen Gegend Delhi mit Anwesen statt Grundstücken und kaum noch indischer Kleidung an den wandelnden Menschen. Wir wandelten auch und atmeten und entspannten und freuten uns über die Pärchen, die sich hier mal trauten, in der Öffentlichkeit mehr Zuneigung zueinander zu zeigen.

Lovely Lodi GardenDanach brauchten wir beide einen Kaffee und fanden diesen im Französischen Institut Delhis, in dem die Inder auch wie Europäer aussahen und der Kaffee soviel kostete wie anderswo ein Mittagessen. Essen ist ein gutes Stichwort, denn langsam waren wir am verhungern. Mit der Metro ging es daher nach Alt-Delhi und der Schock hätte nicht größer sein können! Aus der futuristisch-modernen-geregelten Metro stiegen wir die Treppen hoch und fanden uns in einer Mischung aus Mittelalter, einem Bild von Giger und einem muslimischen Basar wieder. Hier starrten mich wieder alle Leute hemmungslos an – anders als im Lodi Garden – und die Vielfalt von Eindrücken bei der kurzen Rikshawfahrt durch die Gassen bis zum Restaurant würde ein Buch für sich füllen… Überwältigt und ausgehungert verschlangen wir die köstlichen Köstlichkeiten, schauten dabei den Köchen beim kochen zu und überfraßen uns ordentlich. Als letzter Punkt unserer Tour stand noch das Red Fort von Delhi auf dem Programm, eine alte, rot gestrichene Festungsanlage und der Regierungssitz aus der Moghulzeit, eines der Touristenhighlights in Delhi schlechthin. Mag es daran gelegen haben, dass ich schon ziemlich fertig war, mag es daran gelegen haben, dass ich als Ausländer den 25fachen Preis (immerhin trotzdem nur 4,- Euro) zu zahlen hatte, mag es an den pubertierenden Jungs gelegen haben, die immer hinter uns her schlichen, aber ich fands nicht so toll. Die meisten der Anlagen wurden gerade restauriert bzw. weiß gestrichen, weil man sich nicht mehr sicher war, ob das Red Fort wirklich schon immer red war… verrückt! Gegen 19 Uhr und damit 13 Stunden nach dem Start in unseren Morgenspaziergang liefen, nein humpelten wir langsam nach Hause. Drei Metrofahrten, drei Rikshawfahrten und jede Menge gelaufene Kilometer lagen hinter uns und ich hatte mindestens 15 der Millionen Gesichter dieser Stadt gesehen! Meine Füße weinten, ich lachte 🙂

Am Sonntag wechselte ich den Bundesstaat und beende damit auch diesen Blogeintrag, denn was seit Sonntag alles passiert ist, erfahrt ihr beim nächsten Mal 😉

Gute Nacht und bis bald,

Namaste,

Julia

PS: Damit ihr mal noch einen bewegt-optischen Eindruck von Delhi bekommt, hier noch ein kurzer Film zum Thema Wasser in Delhi:

Aloha – Lomi Lomi Massage

Langsam verdichten sich meine Reisevorbereitungen und ich brauche den Wecker schon eine Weile nicht mehr zum aufwachen… Da war es genau die richtige Entscheidung, das Wochenende vor Ostern noch eine Verschnaufpause einzulegen und eine neue Massageform kennen zu lernen. Natürlich wird man dabei ja auch viel massiert. Wie praktisch 😉

Die Entscheidung, Lomi Lomi Nui Massage, also Hawaiianische Tempelmassage, zu lernen, hatte ich bereits letzten Sommer in Tamera getroffen. Dort hatte ich mich mit Keith über verschiedenste Varianten der „Weltrettung“ unterhalten – er hatte da schon einiges probiert – und waren auch auf Massage als Direktkontakt und auch Direktheilung von Mensch zu Mensch gekommen. Für ihn war die Lomi Lomi die Massage der Wahl, weil es eine ganzheitlich Körperarbeit ist und der Massierende dabei mehr bewegt als nur seine Arme und Hände. Denn die Hawaiimassage besteht aus vielen fließenden Bewegungen mit Händen und Unterarmen und der Massierende tanzt eine Mischung aus Bauchtanz und Hula beim massieren, um mitzufließen.

Über einen Freund von mir, dem ich von meinem Wunsch erzählt hatte, bekam ich den Kontakt zu Ila (http://www.sinnliche-massagen-dresden.de). Ila massiert seit über 5 Jahren hauptberuflich und mit ganzem Herzen und lebt für das, was sie tut. Ich hatte sie schon im letzten Jahr kennen gelernt und ihr erzählt, dass ich gerne Hawaii-Massage lernen würde. Um zu wissen, worum es geht, habe ich mich natürlich auch von ihr massieren lassen und fand mich in einem Zustand aus Schweben und Fließen wieder… herrlich! 🙂 Manche Vorhaben brauchen aber ihre Zeit und so dauerte es bis Februar, bis wir noch zwei Frauen gefunden hatten, die auch Lust auf einen Wochenendkurs hatten.

Vorletztes Wochenende war es dann soweit und wir vier saßen am Freitagabend mit Tee in der Hand beisammen. Zur Einstimmung gab es erstmal Hawaiianische Musik, um den Rhytmus und die Geschwindigkeit kennen zu lernen und einen Film, der die Philosophie der Hawaiimassage zugrundeliegenden Huna-Lehre vermittelte. Ila hatte dazu auch eine schöne Zusammenstellung gemacht und im Bild unten seht ihr die sieben Grundprinzipien der Huna-Lehre. Zum Schluss befühlten wir noch unsere Werkzeuge für den nächsten Tag – also unsere Hände – und freuten uns über die Vielfalt der Menschen.

Die 7 Prinzipien der Huna-Lehre

Am Samstag ging es nach der Vorstellung und Verkostung (!) verschiedener Massageöle dann mit der Praxis und der Vergangenheit los. Denn die Rückenseite eines Menschen steht für dessen Vergangenheit und die sollte einigermaßen geklärt, bearbeitet und gelockert sein, bevor es um die Vorderseite und Zukunft gehen kann. Also keine falsche Scheu vortäuschen und ran ans masssieren! Ila machte es einmal bei einer von uns vor und danach versuchten die zwei Zuschauenden, es so gut wie möglich – und zusätzlich noch synchron – bei der Dritten anzuwenden. Ganz schön kompliziert, auf so viele Dinge gleichzeitig zu achten! Die Massierte hatte dabei oft den meisten Spaß 😉 So wurde jede von uns von jeder massiert, wir gaben und nahmen gleichermaßen und Ila bekochte uns köstlich, während Blumenduft die Räume füllte. Dieses Wochenende stand ab da für mich unter dem Motto: „Liebe dich selbst!“

Am Sonntag betraten wir dann die Zukunft und näherten uns der manchmal etwas kitzligen Vorderseite. Wenn jede von uns erkannt hatte, dass die Berührung der Vorderseite eine natürlich-sinnliche Begegnung ohne Angst und Hintergedanken und voll der Liebe für die Massierte war, war es unglaublich entspannend. Und um die Antwort auf die Frage in euren Köpfen gleich vorweg zu nehmen: Nein, es wird nicht alles massiert… 😀 Es ist auch so schon wunderschön! Der Sonntag verflog förmlich massierend und Ila’s gutes Essen und ein Spaziergang in der Frühlingssonne machten den Tag zum Erlebnis für alle Sinne. Am Abend saßen wir – wie schon am Vortag – strahlend beieinander. Natürlich haben wir an diesem Wochenende nicht die komplette Hawaiimassage mit alles Tricks und Kniffen lernen können. Es war ein Anfang und mit der Übung werden die Handgriffe sicherer werden und neue dazu kommen können.

Alles in allem war es einfach himmlich, so etwas liebevolles lernen zu können und so ein menschlich-berührendes Erlebnis mit drei wundervollen Frauen teilen zu dürfen! Jetzt habe ich auch schon eine neue Idee, welche Massageform ich in Indien als nächstes lernen möchte… Danke liebe Ila, danke meinen Mitmassiererinnen, danke Hawaii – Mahalo, mahalo, aloha! 🙂